ISL: „Betroffene erwarten Antwort von Jens Spahn“

Das Aufreger-Thema
Die Interessenvertretung fordert den Minister auf, die enorme Verunsicherung bezüglich des RISG zu beenden.
Veröffentlicht am 6. September 2019
ISL:
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). (Foto: Carsten Rehder/dpa)
Die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums, Beatmungspatient*innen außer in Ausnahmefällen zukünftig nur noch stationär statt ambulant zu behandeln, lehnt die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) vehement ab. Wer beispielsweise auf Grund einer fortschreitenden Muskelerkrankung auf künstliche Beatmung angewiesen ist und bisher die Unterstützung im Rahmen seiner Assistenz geregelt hat, müsste nach den derzeitigen Plänen seine häusliche Umgebung verlassen und sich entweder einem Krankenhaus oder einem Pflegeheim anvertrauen. Der Selbstvertretungsverband behinderter Menschen fordert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn daher auf, sofort aktiv zu werden und mit deutlichen Worten zu vermitteln, dass dieser Gesetzentwurf geändert wird.
„Wir bitten ganz dringend darum, schleunigst ein deutliches Signal an die Betroffenen zu senden, dass dieser Gesetzentwurf in der vorliegenden Form niemals gesetzliche Realität werden wird. Menschen, die mit Beatmung leben, haben sowieso genug Probleme, ihren Alltag zu bewältigen. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf sind massive existenzielle Sorgen und Ängste hinzugekommen. Es gilt, diese enorme Verunsicherung sofort zu beenden“,
empfiehlt die Geschäftsführerin der ISL, Dr. Sigrid Arnade, in ihrer Stellungnahme zum vorliegenden Referentenentwurf der Bundesregierung, zu dem am 11. September eine Anhörung im Bundesgesundheitsministerium stattfindet.
„Wir kritisieren vor allem, dass die Menschenrechte beatmeter Personen massiv verletzt werden, wenn der vorgeschlagene Gesetzestext in Kraft treten sollte“,
betonte Dr. Sigrid Arnade. Nach Artikel 19 der von Deutschland vor zehn Jahren ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) haben alle Menschen das Recht auf freie Wahl des Wohnortes und der Wohnform. Notwendige Unterstützung oder Hilfe muss der selbst gewählten Wohnform folgen und nicht umgekehrt. „Sollte der vorgeschlagene Text Gesetzeskraft erlangen, so wird das selbstbestimmte Leben von Tausenden von Menschen zerstört. Das lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass einige Menschen möglicherweise zu lange beatmet werden oder es andere Fehlentwicklungen gibt.“
Zusammenfassend stellt Dr. Sigrid Arnade in der Stellungnahme der ISL fest: „Der Gesetzentwurf ist möglicherweise gut gemeint, er ist aber auf alle Fälle schlecht gemacht. Es fehlt nicht nur eine solide Datengrundlage, sondern geltendes Recht wie das Benachteiligungsverbot im Grundgesetz und die UN-Behindertenrechtskonvention sind nicht beachtet worden. Die vorgesehenen Regelungen gehen an der Lebenswirklichkeit der meisten Betroffenen vollkommen vorbei und müssen grundlegend verändert werden.“ Bei dieser Überarbeitung seien die Verbände behinderter Menschen einzubeziehen und die Lebensrealität der Betroffenen zu berücksichtigen.
Über den ISL e.V.
Die „Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL)“ ist eine menschenrechtsorientierte Selbstvertretungsorganisation und die Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Sie wurde nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Independent Living Movement“ gegründet, um die Selbstbestimmung behinderter Menschen auch in Deutschland durchzusetzen.
(RP/PM)
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