Morgenländischer Mythus

Welch ein Schwirren in den hohen Lüften
Nächtlich überm Kaschmirsee! – Von Flügeln
Rauscht’s, als kämpften droben Schwan und Rabe
Flatternd hin und her, und wundersame
Stimmen gehn dazwischen, scheltend, flehend.
Weithin trägt den Schall der Wind im Mondlicht.
Danhasch ist’s, der dunkeln Geister einer,
Die gebannt sind aus den obern Lüften,
Danhasch und die schöne Fei Maimune
Vom Gebirge Saleh. Durch die Mondnacht
Leis auf silbernem Wolkenkahne schiffend,
Traf den dunklen Dschinn auf ihrer Bahn sie;
Nun bedräut sie ihn mit heftigen Worten:
»Sohn der Finsternis, sag‘ an, wie wagst du
Frech mit deinem gottverhaßten Anblick
Meinen Pfad zu kreuzen, ein dich drängend
In die Region, die dir versagt ist?
Weißt du nicht, daß ich mit mächtigem Spruche
Nun dich schmieden könnt‘ an Kafs Gebirge,
An den steilsten Fels, daß blutige Geier
Langsam dich zerfleischten, oder schleudern
In den See der grausen Rochen Spielwerk?«
Scheu zusammen schrak der Dschinn; die Arme
Streckt‘ er flehend aus und redet‘ also:
»Sei mir gnädig, schöne Fei Maimune!
Denn du hast Gewalt, mich zu verderben;
Aber glaub‘, es konnte nur ein Wunder
So die blöden Sinne mir verwirren,
Daß des Bannes ich vergaß. Doch schwöre,
Schwör, o Holde, Freiheit mir und Leben,
Schwör es mir bei Salomonis Siegel,
Und ich will, was mir geschehn, dir künden.«
Ihm erwiderte drauf die Fei Maimune:
»Nicht verdienst du solche Huld, doch will ich
Gnädig sein. Dich frei zu lassen schwör‘ ich
Ungestraft bei Salomonis Siegel,
Sprichst du lautre Wahrheit, aber leugst du,
Wehe dir! so schleudr‘ ich aus den Lüften
In der Fluten Abgrund dich, Verfluchter!«
Tief aufatmend sprach der dunkle Danhasch:
»Hohe Herrin, fern aus Indien komm‘ ich
Blitzesschnell; du weißt, wie Geister reisen.
Dort am Ganges liegt ein prächtiger Garten,
Palmenreich, gehüllt in Duft. Inmitten
Zwischen Laubgerank und springenden Brunnen
Ruht auf blanken Säulchen eine Kuppel,
Goldne Gitter sind die Wände drunter.
Aber drinnen wohnt die Königstochter
Badur, die so lieblich wie der Mond ist.
Ach, ich weilte dort den langen Abend,
Konnte mich nicht satt schaun an der Holden,
Wie sie Laute schlug und sang und lachend
Mit dem schönen farbigen Vogel spielte,
Der im silbernen Reif zu ihren Häupten
Hin und her sich schwang. So oft ich zögernd
Von dem reizenden Bild die Augen kehrte,
Immer wieder zog’s mich hin, und endlich,
Als ich floh, gedacht‘ ich tief im Herzen
Ihrer nur und achtete nicht des Weges.
Doch gewiß ist dies: sie ist das schönste
Unter allen lebenden Menschenkindern.«
Zornig blickt‘ ihn an die Fei, und: »Töricht«,
Sprach sie, »redest du, o dunkler Danhasch.
Weil die Königstochter dir den dumpfen
Sinn verwirrte, hältst du sie für einzig.
Aber wisse, schöner, zehnmal schöner
Ist der schlanke Jägersmann Nurreddin,
Den ich rasten sah bei Mondesaufgang
Unterm Fichtenbaum am Berge Saleh.
Reizend lag er da, aus frischem Schlummer
Wie die Sonn‘ aus Meereswellen atmend.
Wär‘ er nicht ein Mensch, ich müßt‘ ihn lieben!«
»Zürne nicht«, versetzt‘ der Dschinn, »ich habe
Lautre Wahrheit dir, o Fei, verheißen,
Lautre Wahrheit red‘ ich. Mag der Jäger
Schlank und hoch sein wie des Bergs Zypresse,
Blühend wie die junge Morgenröte –
Dennoch schöner ist die liebliche Badur.«
Also stritten in der Luft die Geister
Überm See noch viel mit heftigen Worten,
Sie den Weidmann, er die Jungfrau preisend.
Doch zuletzt beschloß die Fei Maimune:
»Zwar nicht Ehre bringt es, solchen Gegner
Siegreich zu bestehn, doch meine Laune
Gönnt es dir, daß wir Entscheidung suchen,
Drum wohlauf! Entfalte deine Schwingen,
Nach dem Palmengarten fleuch am Ganges,
Und die Königstochter trag‘ im Schlummer
Auf mein Schloß; du sollst in seinen Toren
Schon den Jägersmann Nurreddin finden;
Auch ein Schiedsmann wird uns dort bestellt sein.«
Sprach’s, und eilig zog das Silberwölkchen,
Das sie trug, von scharfem Wind getrieben,
Wie ein wilder Schwan zum Berge Saleh.
Aber Danhasch breitete seine schwarzen
Fittich‘ aus und flo