Wie die Fluggesellschaft mit der Rollstuhlfahrerin Sigrid Arnade umging. Möglicherweise hat das ein juristisches Nachspiel.
Veröffentlicht am 19. Juli 2019
Sigrid Arnade, die Geschäftsführerin der ISL e.V., wird von einem Flugbegleiter huckepack zur Toilette getragen.
Sigrid Arnade, die Geschäftsführerin der ISL, wird von einem Flugbegleiter huckepack zur Toilette getragen. (Foto: privat, Günter Heiden)
Singapur Airlines verletzt die Würde behinderter Passagiere, weil trotz Voranmeldung die Mitnahme eines Bordrollstuhls verweigert wird. Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. – ISL ist fassungslos angesichts des Umgangs dieser renommierten Airline mit ihrer Geschäftsführerin, Dr. Sigrid Arnade, und erwägt rechtliche Schritte.
„Singapur Airlines wirbt damit, dass jede Maschine einen Rollstuhl an Bord habe. Dem haben wir vertraut“,
berichtet die Geschäftsführerin. „Selbstverständlich gingen wir davon aus, dass dieser Service auch für die regionale Tochter SilkAir gilt, denn von der SilkAir-Website wird man sofort auf die Seite von Singapur Airlines mit den Serviceangeboten geleitet.“
Bedarf im Vorfeld angemeldet
Zwei Wochen vor ihrem Flug nach Australien meldete Arnade ihre Bedarfe an, unter anderem die Notwendigkeit eines Bordrollstuhls, was sie für eine reine Formsache hielt. Dann folgte das böse Erwachen: Auf der Teilstrecke von Singapur nach Cairns, die von SilkAir bedient wird, sei kein Bordrollstuhl vorhanden, hieß es. „Die reine Flugzeit beträgt mehr als sechs Stunden,“ erläutert Arnade.
„Vom Toilettenbesuch vorher bis zum Toilettenbesuch hinterher kann man locker mit acht Stunden rechnen. Wie soll das gehen?“
Sie telefonierte und schrieb Mails, aber man antwortete, die Maschine sei zu klein. „Lächerlich“, kommentiert die Geschäftsführerin angesichts einer Boeing 737-800 für über 160 Personen, wobei ein zusammengeklappter Rollstuhl nicht größer als eine mittlere Reisetasche sei.
Sie war immer noch guter Dinge und ging davon aus, die Angelegenheit ließe sich spätestens in Singapur regeln. Da hatte sie aber die Rechnung ohne SilkAir gemacht: Sie diskutierte zwar mit dem Manager so lange, dass der Flug letztlich eine halbe Stunde Verspätung hatte, erreichte aber nichts. Das einzige, was der Manager anbot, sei die Umbuchung auf einen späteren Singapur Airlines-Flug gewesen, wodurch aber die ganze Reiseplanung hinfällig geworden wäre.
Bordpersonal musste helfen
Die Flugbegleiter*innen seien behilflich, hieß es, ohne dass erklärt werden konnte, wie die rund 12 Meter vom Sitz zur Toilette zu überwinden seien. Letztlich war es der freundliche Flugbegleiter Benjamin Travis, der die Geschäftsführerin huckepack mit einiger Absturzgefahr zur Toilette und zurücktrug.
„Ich hatte Glück, so einen sympathischen Helfer zu haben,“
kommentiert Arnade.
„Grundsätzlich verstößt es aber gegen meine Würde, mich von fremden Männern tragen und von fremden Passagieren dabei begaffen lassen zu müssen, und gegen die Würde des Kabinenpersonals verstößt es auch.“
„Nach der UN-Behindertenrechtskonvention, die auch Singapur im Juli 2013 ratifiziert hat, ist es eine Diskriminierung, angemessene Vorkehrungen, wie einen Bordrollstuhl, nicht vorzuhalten,“ erklärt Arnade und hofft, so etwas zu erreichen. In ihrem Urlaub, der jetzt beginnen soll, wird sie sich aber erst einmal damit beschäftigen müssen, für den Rückflug einen Bordrollstuhl zu organisieren.
(RP/PM)
rollingplanet.net