Bundessozialgericht: Fehlende Sinneswahrnehmung keine Blindheit

Die Richter sehen aber eine Chance, dass die Blindheit eines schwerst hirngeschädigten Mädchens doch noch anerkannt wird.
Veröffentlicht am 28. Oktober 2019
Das Bundessozialgericht in Kassel
Das Bundessozialgericht in Kassel (Foto: Uwe Zucchi/dpa)
Schwerst hirngeschädigte Menschen ohne differenzierte Sinneswahrnehmung gelten nicht als blind. Das geht aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts in Kassel von Donnerstag hervor. Entscheidend für die Einstufung „Bl“ (Blind) ist demnach die Versorgungsmedizin-Verordnung des Bundes. Danach umfasse Blindheit „fehlendes Augenlicht, Herabsetzung der Sehstärke oder vergleichbare Sehstörungen“, sagte die Vorsitzende Richterin. Sie hob damit ein Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf und verwies es zurück zur Neuentscheidung. (Aktenzeichen B 9 SB 1/18 R)
Geklagt hatten die Eltern eines 2007 geborenen Mädchens, das durch eine Stoffwechselstörung schwerst hirngeschädigt ist. Sie hat ein gewisses Maß an Sehkraft, kann aber nichts differenziert wahrnehmen. Das Land Niedersachsen hatte das sogenannte Merkzeichen „Bl“ verwehrt, das als Voraussetzung für Blindengeld gilt. Für das Land ging es nach eigenen Angaben um viel Geld und Rechtssicherheit: Man rechne mit einer Zahl an neuen Fällen im mittleren fünfstelligen Bereich, in denen Menschen ähnliche Ansprüche geltend machen könnten.
„Dieses Mädchen ist faktisch blind“,
erklärte dagegen der Rechtsvertreter der Eltern. Das Sozialgericht Aurich und das Landessozialgericht hatten das genauso gesehen: Es liege eine der Blindheit gleichzustellende Störung des Sehvermögens vor. Das Bundessozialgericht folgte dem nicht. Dennoch haben die Eltern des Mädchen eine Chance auf Einstufung als „blind“. Denn nach Ansicht der Kasseler Richter hatte das Landessozialgericht nicht ausreichend geprüft, ob ein völliger Ausfall der Sehrinde vorliegt. Dann würde das Mädchen auch nach der Versorgungsmedizin-Verordnung als blind gelten.
(RP/dpa)
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