Sendung 29: Barrierefreiheit bei Haushaltsgeräten

barrierefrei aufgerollt
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich]
Katharina Müllebner: Herzlich Willkommen zur heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. Am Mikrophon begrüßt Sie Katharina Müllebner.
Waschmaschine, Geschirrspüler oder Ofen – so gut wie in jedem Haushalt gibt es diese Dinge.
Haushaltsgeräte sind fixe Bestandteile des Alltags und erleichtern vieles. Doch dazu müssen sie auch benutzbar sein. Der Vormarsch der modernen Technik hat auch die Haushaltsgeräte verändert. Wo es früher Knöpfe zum Drehen oder Drücken gab, gibt es jetzt Sensorentasten oder Touchscreens und diese sind meistens leider nicht barrierefrei gestaltet. Dadurch sind immer mehr Geräte vor allem für Menschen mit einer Sehbehinderung kaum mehr bedienbar.
In der heutigen Sendung von barrierefrei aufgerollt beschäftigen wir uns deshalb mit dem Thema barrierefreie Haushaltsgeräte. Welche Probleme haben Blinde und sehbehinderte Menschen Geräte, die mit Touchscreens oder anderer moderner Technik ausgestattet sind, zu bedienen? Was macht ein Haushaltsgerät für diese Personengruppe barrierefrei? Und gibt es überhaupt ein Angebot an barrierefreien Haushaltsgeräten?
Diese und andere Fragen wollen wir mit unseren Gästen klären.
Barrierefreiheit bei Haushaltsgeräten, so der Titel der heutigen Sendung.
Katharina Müllebner: Frau Susanne Buchner-Sabathy ist blind und Beraterin für Barrierefreiheit im Internet.
Zudem übersetzt sie Fachliteratur in verschiedene Sprachen und macht in Vorträgen und Workshops Menschen auf das Thema Sehbehinderte Menschen und deren Nutzung von PC, Internet und Handy aufmerksam. Aktuell wirkt sie auch bei einer Arbeitsgruppe zum Thema barrierefreie Haushaltsgeräte mit.
[Überleitungsmusik]
Katharina Müllebner: Frau Sabathy was für Probleme gibt es bei herkömmlichen Haushaltsgeräten für Menschen mit Sehbehinderung oder blinde Menschen?
Susanne Buchner-Sabathy: Ja, da hat sich in den letzten ein, zwei Jahrzehnten sehr viel verändert. Sehr lange Zeit war es so, dass wir auf unseren Haushaltsgeräten, auf Herden und Waschmaschinen Kippschalter hatten, Drehschalter hatten, also Knöpfe, die wir angreifen konnten und wo wir die Einstellungen ertasten konnten.
Heutzutage ist es sehr oft so, dass es nur mehr Touchscreens gibt, also eine Oberfläche, die man berühren kann und auf der man dann bestimmte Einstellungen vornehmen kann. Das ist sehr schwierig für Menschen, die schlecht sehen oder die nichts mehr sehen und es ist auch sehr schwierig für Menschen, die vielleicht keinen guten Tastsinn mehr haben, weil sie schon älter sind.
Katharina Müllebner: Heißt das, dass moderne Technik und Barrierefreiheit einander ausschließen?
Susanne Buchner-Sabathy: Ganz im Gegenteil. Die moderne Technik bietet sehr, sehr viele Möglichkeiten für Barrierefreiheit. Wir sehen das zum Beispiel beim Handy, also bei den Smartphones. Die sind für blinde Menschen gut bedienbar, weil es da eine/ Man kann sich vorlesen lassen, was am Bildschirm steht, man wird dabei unterstützt, das Handy zu bedienen, indem das vorgelesen wird.
Und Handys, also Smartphones, bieten auch die Möglichkeit, sich die Schrift vergrößern zu lassen. Man kann bestimmte Einstellungen vornehmen, wenn man zum Beispiel zitternde Finger hat. Die Technik ist absolut da, die Barrierefreiheit fehlt vielleicht noch in den Köpfen der Entwickler und Entwicklerinnen, aber nicht in der Technik.
Katharina Müllebner: Gibt es überhaupt ein Angebot an barrierefreien Haushaltsgeräten?
Susanne Buchner-Sabathy: Das ist sehr, sehr eingeschränkt. Es gibt wahrscheinlich einzelne Modelle, bei denen bestimmte Funktionen bedienbar sind. Wir haben festgestellt, dass es ganz, ganz schwer ist, ein Gerät zu finden, das ganz bedienbar ist. Das heißt, dass wir genauso bedienen können wie ein sehender Mensch. Und das ist gerade auch das Schlimme, weil selbst, wenn man uns sagt, na der Herd, da kann man das und das machen oder bei dem Backrohr kann man das Programm wählen mit einem guten Drehschalter. Wir haben dann immer nur ein Gerät, das wir vielleicht noch kaufen können, wir haben keine Auswahl. Wir sind als Konsumentinnen und Konsumenten einfach benachteiligt und diskriminiert.
Katharina Müllebner: Woran glauben Sie liegt das, dass die Herstellerinnen und Hersteller so wenig offen sind für das Thema Barrierefreiheit was Haushaltsgeräte betrifft?
Susanne Buchner-Sabathy: Die Frage kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Ich verstehe es selbst nicht. Ich glaube, dass sie die Gruppe der betroffenen Menschen unterschätzen. Ich glaube, sie glauben, das betrifft ein paar Blinde. Na ja, die sollen sich halt helfen lassen oder die können das irgendwie selbst mit Tastmarkierungen nachrüsten.
Aber die Hersteller bedenken glaube ich nicht, dass ganz, ganz viele Menschen betroffen sind. Menschen, die blind sind, aber auch Menschen mit Sehbehinderung, Menschen mit Einschränkungen der Beweglichkeit der Finger, also solche Menschen, die die Finger oder die Hand nicht so gut bewegen können. Menschen, die vielleicht nicht mehr so gut tasten können, das ist im Alter sehr, sehr verbreitet oder überhaupt ältere Menschen, die schlecht sehen und die vielleicht nicht so große Technikfreunde- und -freundinnen sind.
Also ich glaube, sie unterschätzen das Problem, sie unterschätzen die Konsumentengruppe.
Die andere Sache ist, dass die Hersteller bei der Entwicklung betroffene Menschen einbeziehen müssten. Sie müssten Menschen mit Behinderung in den Entwicklungsprozess einbeziehen und dann würden sie feststellen, dass es gar nicht so schwierig ist diese Anforderungen umzusetzen.
Katharina Müllebner: Wie hilft man sich jetzt, wenn Haushaltsgeräte nicht barrierefrei gestaltet sind? Ich habe da mal von einer Dame gelesen, die sich die Knöpfe ganz bunt angemalt hat. Gibt es da irgendwelche Tricks?
Susanne Buchner-Sabathy: Na ja, natürlich gibt es Tricks und wir kennen sie alle. Also alle Menschen mit Behinderungen haben irgendwelche Tricks, um sich ihre Umwelt zugänglicher zu machen. Für Menschen mit Sehbehinderung ist es so, wie Sie es jetzt geschildert haben, sehr oft mit starken Farben, mit starken Kontrasten. Dann können sie das besser, können sie manche Dinge besser bedienen.
Für uns blinde Menschen sind es tastbare Markierungen, also es gibt Tastpunkte, die man sich zum Beispiel auf Drehschalter kleben kann. Das ist zum Beispiel bei meiner Waschmaschine oder bei meinem Herd, habe ich Punkte draufgeklebt, um die Temperatur in 50 Grad Schritten zu markieren. Das ist in einem gewissen Umfang möglich, aber man stößt da an seine Grenzen. Wenn eine Waschmaschine, ich weiß nicht, 17 Programme hat, kann ich die nicht alle mit Punkten markieren. Da wäre eine Sprachunterstützung viel, viel sinnvoller.
Und das ist das eine und das andere ist wirklich die Frage, wie viel von dem Aufwand ein Mensch mit Behinderung selbst übernehmen muss? Ich meine, das Leben in einer Welt, die darauf ausgerichtet ist, dass man gut sieht und dass man sich über alle möglichen Hindernisse hinwegbewegen kann, ist an sich schon mühsam.
Und wieso soll ich jetzt das gleiche Geld wie ein Mensch ohne Behinderung für einen Herd zahlen und dann selbst noch den Aufwand haben, den so auszustatten, dass ich ihn zumindest eingeschränkt benutzen kann.
Katharina Müllebner: Gibt es noch irgendetwas, was vielleicht noch nicht erwähnt wurde, wo Sie der Meinung sind, dass das die Zuhörerinnen und Zuhörer unbedingt noch wissen müssen?
Susanne Buchner-Sabathy: Ja ich glaube bzw. unsere Arbeitsgruppe glaubt, dass wir unterscheiden müssen zwischen einem Ziel, das wir vielleicht erst in ein paar Jahren gut erreichen können, das ist unser Hauptziel, nämlich dass Haushaltsgeräte von möglichst vielen Menschen unabhängig davon ob sie blind sind, unabhängig davon ob sie schlecht sehen oder vielleicht schlecht tasten oder sich schlecht bewegen können, dass einfach Haushaltsgeräte von möglichst vielen Menschen gut und selbstständig bedient werden können.
Und dann ist sozusagen eine Zeit dazwischen und es gibt jetzt ja schon Möglichkeiten, dass man sich Geräte anpasst, zum Beispiel mit Tastpunkten, die man selbst aufklebt. Es gibt aber auch schon Anbieter, es gibt Firmen, die das anbieten, zum Beispiel Folien, die man auf Touchscreens auflegt oder dass der Herd umgebaut wird und dass dort Drehschalter eingebaut werden, sodass man das besser bedienen kann.
Wir glauben, dass diese Lösungen, diese Anpassungen von Geräten für eine Übergangszeit eine gute Lösung sein könnten. Aber dass das nicht unser Hauptziel ist, denn solche Anpassungen kosten etwas, kosten zusätzlich und das sind Kosten, die wir als betroffene Personen selbst übernehmen müssten, zusätzlich zu den Kosten für den Herd oder für die Waschmaschine.
[Überleitungsmusik]
Katharina Müllebner: Eine Kollegin von Frau Buchner-Sabathy ist Frau Margarete Waba. Sie ist Mitarbeiterin in verschiedenen Gremien, die sich mit Verkehr und Infrastruktur für blinde und sehbehinderte Menschen beschäftigen. Zudem veranstaltet sie verschiedene Sensibilisierungsworkshops und ist in diversen Arbeitsgruppen tätig.
Katharina Müllebner: Frau Waba, welche Probleme gibt es Ihrer Meinung nach mit herkömmlichen Haushaltsgeräten?
Margarete Waba: Ich sehe bei herkömmlichen Haushaltsgeräten das Problem vor allem darin, dass die Entwicklung dahin geht, dass sich in letzter Zeit sehr viel eher zum Negativen für uns verändert hat.
Das heißt, noch vor zehn, fünfzehn Jahren war es relativ problemlos möglich als blinde und sehbehinderte Person Haushaltsgeräte zu bedienen, ob das ein Herd, eine Waschmaschine, ein Geschirrspüler oder eine Mikrowelle war oder was auch immer man im Haushalt braucht. Und die Entwicklung geht jetzt dahin, dass diese Geräte durch die fortschreitende Technik für uns immer schwerer bedienbar werden.
Das heißt früher gab es Drehknöpfe und Drucktasten jetzt gibt es sehr oft zwar Drehknöpfe, die aber keinerlei Markierungen mehr haben, Drucktasten, die keine akustische Rückmeldung mehr geben, die keinen Druckpunkt aufweisen, das heißt, man spürt nicht ob man draufgedrückt hat oder nicht. Oder es gibt ein Display mit optischer Anzeige und Sensortasten, die für Blinde und Sehbehinderte Menschen eigentlich überhaupt nicht bedienbar sind.
Katharina Müllebner: Wie müssen die technischen Geräte beschaffen sein, damit sie für blinde und sehbehinderte Menschen gut benutzbar sind?
Margarete Waba: Grundsätzlich ist das Zwei-Sinne-Prinzip ein wichtiger und richtiger Ansatz natürlich, den es schon in vielen Bereichen, wo es um Barrierefreiheit geht, gibt. Das gilt natürlich auch für Haushaltsgeräte. Sie müssen im Idealfall durch zwei Sinne bedienbar sein.
Das heißt, gibt es zum Beispiel nur eine Anzeige über Display und eine Steuerung mit Sensortasten, dann müsste parallel dazu eine Sprachführung möglich sein. Das ist ja technisch, wie wir wissen, kein Problem mehr. Es gibt Smartphones, die mit Sprachführung bestens funktionieren. Es gibt Geldausgabeautomaten, die mit Sprachführung funktionieren.
Und so stellt sich uns die Frage, warum soll das auch nicht bei Haushaltsgeräten so sein? Und wenn nicht diese Technik zum Einsatz kommt, dann müsste man bei Geräten, die eben noch Drehschalter oder Drucktasten haben, berücksichtigen, dass man diese auch wirklich taktil gut spüren kann. Das heißt, dass Drehschalter einrasten, dass Drehschalter eine Markierung haben anhand derer man die Nullstellung feststellen kann oder dass Drucktasten eine akustische Rückmeldung geben, solche Dinge.
Katharina Müllebner: Was würden Sie sagen, gibt es überhaupt ein Angebot an barrierefreien Haushaltsgeräten?
Margarete Waba: Also ein Angebot an barrierefreien Haushaltsgeräten, so wie uns auch jetzt Tests gezeigt haben, gibt es aus meiner Sicht, eigentlich nicht. Es gibt die Möglichkeit, Geräte, die auf dem Markt sind, anzupassen. Das heißt, man muss sich im Nachhinein damit auseinandersetzen, welche Markierungen man zum Beispiel vornimmt, um eine, beispielsweise Einstellung auf der Waschmaschine, besser erkennen zu können. Aber tatsächlich von den Herstellern her ein Angebot für sehr gute barrierefreie Haushaltsgeräte gibt es aus meiner Sicht nicht.
Beziehungsweise sehe ich da auch das ganz große Problem, dass das Angebot immer größer wird, die Möglichkeiten immer größer werden und für uns genau das Gegenteil passiert. Das Angebot immer geringer wird, die Möglichkeiten immer mehr eingeschränkt werden. Das heißt, im besten Fall hat man die Wahl, zwischen 15 Geräten auszusuchen und wir haben die Wahl, ein Gerät, das überbleibt, zu nehmen.  Das kann oftmals das teuerste sein. Es kann manchmal das teuerste sein. Oftmals ist es auch ein Gerät, das fast schon im Lager landet, weil es nicht mehr normal auf den Markt kommt.
Es ist mir tatsächlich schon passiert, dass jemand gesagt hat, da haben wir ja noch, da haben wir noch eine Waschmaschine vom vorvorvorvorigen Modell, das könnten wir vielleicht nehmen.
Aber Tatsache ist, wir wollen eigentlich genauso teilhaben an den vielfältigen Möglichkeiten der Technik und eben auch an diesen großen Auswahlmöglichkeiten, die es derzeit gibt und möchten diese Dinge auch soweit wie möglich nutzen können.
Katharina Müllebner: Wo findet man jetzt Informationen darüber wie die Geräte beschaffen sind und ob sie barrierefrei sind?
Margarete Waba: Informationen darüber finde ich in Fachgeschäften. Man geht hin, man spricht mit den Verkäufern. Sehr oft sind sie natürlich auch vor den Kopf gestoßen, weil sie mit der Problematik manchmal konfrontiert werden, aber auch zu wenig Informationen darüber haben natürlich.
Ansonsten irgendeine Plattform oder Möglichkeiten im Internet sich zu erkundigen, gibt es eigentlich nicht.
Da sehe ich eben auch die Bereitschaft oder einfach auch das mangelnde Wissen von Entwicklern und Herstellern, die sich bis jetzt offensichtlich mit dem Thema zu wenig auseinander/ zu wenig oder gar nicht auseinandergesetzt haben.
Und Informationen jetzt beim Kauf einzuholen in einem Geschäft, kann einfach sehr mühsam sein, weil man zwar in einem Geschäft Geräte bis zu einem gewissen Grad sich anschauen kann, auch ausprobieren kann. Aber natürlich das umfassende Wissen dazu kriegt man für unsere Ansprüche nicht, weil der Verkäufer das auch oft nicht kennt.
Katharina Müllebner: Barrierefreiheit bei Haushaltsgeräten ist für blinde und sehbehinderte Menschen wichtig das wissen wir jetzt. Aber für wen ist denn diese Barrierefreiheit noch wichtig?
Margarete Waba: Also es ist so, dass wir jetzt im Österreichischen Blindenverband gemeinsam mit anderen Verbänden aus dem deutschsprachigen Raum Schweiz und Deutschland eine Arbeitsgruppe gegründet haben, die sich eben genau mit diesem Thema befasst.
Und ein zentraler Punkt dieser Arbeitsgruppe ist auch Partner zu finden, Organisationen und Verbände zu finden die mit ähnlichen Problemen zu diesem Thema zu kämpfen zu haben. Da sind wir jetzt gerade dabei auch in Österreich Partnerorganisationen zu suchen und damit auch im breiteren Ausmaß in der Öffentlichkeit einerseits aufmerksam zu machen auf dieses Thema und andererseits Leute zu suchen, Verbände zu suchen die sich damit beschäftigen.
Und ich denke da gibt es viel mehr als man auf den ersten Blick glaubt. Es gibt eine immer mehr werdende, immer größer werdende Gruppen von älteren Personen die sehr häufig beispielsweise auch schlecht sehen die sehr häufig auch Probleme mit dem Tastsinn haben und denen Geräte so wie wir sie uns vorstellen aus unserer derzeitigen Sicht bestimmt auch Vorteile bringen würden bzw. besser zugänglich wären.
[Überleitungsmusik]
Katharina Müllebner: Lisa Ehrenstrasser vom Verein Design for all ist User Experience Consultant und User Experience Designerin. Das bedeutet sie interessiert sich dafür, wie es Menschen zum Beispiel mit einem Produkt oder mit einem Service geht, ob sie es benützen können und wie sie es handhaben können. Auch interessiert Sie sich dafür, wie man Dinge am besten so entwickeln kann, damit sie für möglichst viele Menschen benutzbar sind.
Katharina Müllebner: Frau Ehrenstrasser, was bedeutet denn design for all?
Lisa Ehrenstrasser: Design for All bedeutet, dass es für alle nutzbar ist, für alle das Beste rausholt.
Das heißt, wenn jemand eventuell schlechter in der Handhabung ist, taktil zum Beispiel nicht so gut spürt, muss ein Produkt genauso funktionieren, wie wenn jemand es nicht gut sieht oder gar nicht sieht. Das muss auch funktionieren, wenn ich ein Kind bin und es muss auch funktionieren, wenn ich schon älter bin.
Katharina Müllebner: Sie haben vorher das Wort taktil verwendet, das ist ein sehr kompliziertes Wort. Können Sie es bitte erklären?
Lisa Ehrenstrasser:  Greifbar und begreifbar. Taktil hat in der Hinsicht sogar mehrere Ebenen. Einerseits muss man etwas ertasten können und dann muss ich aber auch verstehen, was ich ertaste.
Das gilt jetzt nicht nur in Bezug auf Sehbehinderung oder blind, sondern vor allem auch als Unterstützung, wenn ich etwas bediene. So ist zum Beispiel auch das Problem des Smartphones der glatten Oberflächen. Wenn ich kein Feedback, also keine Rückmeldung über die Oberfläche habe, weiß ich nicht, wo ich mich auf der Oberfläche befinde.
Katharina Müllebner: Wie arbeiten sie denn konkret, um die Benutzbarkeit für möglichst viele Personen herzustellen?
Lisa Ehrenstrasser: Also mich rufen Firmen holen mich dazu in Entwicklungsprozessen und ich hole mir dann alle möglichen Leute dazu. Ich hole mir dann unterschiedliche Nutzer, unterschiedliche Nutzergruppen und lade mir sie ein.
Beim Thema Küche wäre es zum Beispiel, um einen Herd zu benutzen, um einmal herauszufinden findet man den Einschaltknopf? Wenn man den Einschaltknopf gefunden hat gibt es dann Möglichkeiten, dass ich mich intuitiv eben mit diesem Gerät auseinandersetzen kann. Da hol ich mir unterschiedliche Nutzergruppen, sprich ich lade mir jemanden ein der eine Sehbehinderung hat, ich lade mir Leute ein die sitzend in der Küche arbeiten, welche die stehend arbeiten, ich lade mir auch jemanden ein der älter ist, das kommt immer auch darauf an welche Zielgruppe dieses Produkt hat.
Es gibt ja nicht nur Produkte, die sozusagen generell für alle sind, es gibt ja auch spezielle Produkte und da macht es dann auch keinen Sinn divers einzuladen, sondern da macht es dann Sinn eventuell dann nur Personen mit Sehbehinderung einzuladen.
Katharina Müllebner: Wie kann so ein Haushaltsgerät aussehen, dass für möglichst viele Menschen benutzbar ist?
Lisa Ehrenstrasser: Indem dass ich mir anschaue, was sind denn die Möglichkeiten und die Anforderungen.
Und das wäre sozusagen dieses Einbeziehen in einen Entwicklungsprozess und der ist einfach nötig.
Katharina Müllebner: Welche Auswirkung hat die moderne Technik auf die Nutzbarkeit solcher Produkte?
Lisa Ehrenstrasser: Es hat insofern eine Auswirkung, weil jedes Produkt im Haushalt mittlerweile immer mehr einen Computer drinnen hat, kann man sich fast so vorstellen, von der Kaffeemaschine begonnen bis über einen Kühlschrank, sind alles computergenerierte Systeme verbaut.
Das heißt aber auch immer, dass wir immer mehr Bedienfelder haben, mit denen wir umgehen müssen. Und gar nicht jetzt nur Knöpfe, sondern wirkliche kleine Bedienfelder.
Und wenn wir da nicht relativ schnell Ansätze finden, das nutzbarer für alle zu machen, ist das eine sehr kleine Nutzerschicht, die mit dem mitkommt.
Katharina Müllebner: Wenn jetzt zum Beispiel ein Bedienfeld hernehmen wie kann man das so gestalten, dass es möglichst viele barrierefrei benutzen können?
Lisa Ehrenstrasser: Es fängt schon dabei an, bei den Bedienfeldern, dass man teilweise gar nicht weiß, wo das Bedienfeld ist und was das macht.
Es hat einerseits damit zu tun, wie finde ich ein Bedienfeld auf, eine taktile Hinführung, zweitens dann auch immer mit einer sehr klaren Produktsprache und Entwicklungssprache. Es fängt schon an bei den verschiedenen Symbolen.
Schauen wir mal in die Symbolwelt rein, man muss eigentlich jede Symbolsprache in Bezug auf ein Produkt fast neu lernen. Am Smartphone 1 schaut es so aus und Smartphone 2 schaut es ganz anders aus, das Symbolbild. Und da natürlich auf einer Kaffeemaschine schaut es wieder ganz anders aus.
Es braucht einfach auch eine universellere Sprache, wo man wirklich auch ein bissel mehr Werkzeug dafür kriegt, wie mache ich mir das zugänglich? Was heißt einschalten, was heißt ausschalten? Wie schaut es aus, wenn ein Bedienfeld einerseits gefunden wird, andererseits ich mir aber dann nicht vorstellen kann, was dieser Knopf aussagt. Da fängt dann dieses Zwei-Sinne-Prinzip auch an, das man aus anderen Bereichen kennt. Wenn ich etwas drücke, muss ich auch was hören. Wenn ich etwas sehe, muss ich auch was hören können.
Katharina Müllebner: Gibt es noch etwas was Sie zu dem Thema unbedingt noch sagen möchten?
Lisa Ehrenstrasser: Ja, sehr gern. Als Abschluss würde ich gerne noch einmal auch einen Appell an die Zuhörer richten und vor allem eben auch an die Produktion und die Industrie.
Wir brauchen Prozesse, die eine Teilnahme im Entwicklungsprozess offener setzen. Wir brauchen Personen, die wir mit hinein nehmen in Entwicklung und Gestaltung. Und das braucht einen Zugang und das ist das partizipative Entwickeln. Das wäre sehr wichtig, denn nur dann können wir auch das ändern, was am Ende am Markt rauskommt.
[Überleitungsmusik]
Katharina Müllebner: Alleine den Haushalt führen zu können, Dinge tun zu können wie Kochen oder die Wäsche zu waschen sollte selbstverständlich sein. Doch wie wir gerade in der Sendung gehört haben, können diese Selbstverständlichkeiten zum Beispiel für Menschen mit einer Sehbehinderung mit Schwierigkeiten verbunden sein, weil ein Angebot an barrierefreien Haushaltsgeräten kaum vorhanden ist.
Wir haben auch erfahren, dass es durchaus Möglichkeiten gäbe, auch moderne Geräte so zu gestalten, dass sie für möglichst viele Menschen benutzbar sind.
Das Wissen zur Thematik und auch die Möglichkeiten, Dinge entsprechend anders zu gestalten, wären vorhanden. Für die Hersteller gilt nun dieses auch zu nutzen und Menschen, wie zum Beispiel Frau Sabathy oder Frau Waba in die Entwicklung der Produkte miteinzubeziehen. Denn schließlich und endlich bringt Barrierefreiheit allen was, denn wir alle werden älter, können vielleicht nicht mehr so gut sehen oder weniger gut greifen als früher.
Das war unsere Sendung „Barrierefreiheit bei Haushaltsgeräten“.
Unsere anderen Sendungen und Hintergrundinformationen zu jeder unserer Sendungen finden Sie auf unserer Internetseite www.barrierefrei-aufgerollt.at.
Unsere Zuhörerinnen und Zuhörerschaft wächst. Wir sind jetzt nicht mehr nur auf Radio ORANGE 94.0, sondern auch auf anderen Sendern zu hören. Alle Infos zu unseren Sendeterminen gibt es auf barrierefrei-aufgerollt.at/sendetermine.
Es verabschiedet sich Ihr Redaktionsteam Katharina Müllebner, Markus Ladstätter, und Martin Ladstätter.
[Musik mit Text: barrierefrei aufgerollt – kurz, kompakt und leicht verständlich]
Quelle ist von barrierefrei-aufgerollt.at