Hoeneß: Ikone zwischen „Vater Teresa“ und „Raubritter“

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Hoeneß: Ikone zwischen „Vater Teresa“ und „Raubritter“

Uli Hoeneß, scheidender Präsident des FC Bayern, hat den deutschen Fußball jahrzehntelang geprägt. Am Freitag geht eine Ära zu Ende, doch in den Ruhestand wird der 67-Jährige noch längst nicht treten. Gerade einmal zwei Stunden verbringt Uli Hoeneß an seinem ersten Arbeitstag als neuer Manager von Bayern München in seinem Büro an der Säbener Straße. „Dann bin ich nach Hause gegangen, weil keine Arbeit da war“, erzählt er schmunzelnd im Rückblick auf jenen 1. Mai 1979. Doch es bleibt nicht lange so. Hoeneß, damals gerade 27, packt kräftig an und krempelt den Verein auf links. „Ich habe alles gegeben.“ Aus einem wirtschaftlich wenig erfolgreichen Klub mit sieben Millionen Mark Schulden entwickelt Hoeneß ein weltweit beachtetes Fußball-Unternehmen – untrennbar verbunden mit seinem Namen. Am Freitag wird diese einzigartige Ära bei der Jahreshauptversammlung nach 40 Jahren zu Ende gehen – zumindest offiziell. „Ich glaube“, sagt er heute mit 67 stolz, „das Ergebnis ist so schlecht nicht“. Der FC Bayern wäre ohne Hoeneß „nicht das, was er heute ist“, würdigt „Kaiser“ Franz Beckenbauer seinen Weggefährten. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bezeichnet Hoeneß als „Pionier“. Er sei „umtriebig, schlau und erfinderisch“. Das ist Hoeneß. Er prägt den Rekordmeister und den deutschen Fußball wie kein anderer. Er polarisiert, liefert sich legendäre Kämpfe mit Christoph Daum oder Willi Lemke, er wird als „Raubritter“ beschimpft, ist die „Abteilung Attacke“, ein Mann der Gegensätze: hier mit hochrotem Kopf polternd und fordernd, dort fürsorglich und hilfsbereit wie kein Zweiter. Er sei der „Vater Teresa vom Tegernsee“, witzelt er einst.

Kein „Besserwisser, sondern ein Bessermacher“

Der Metzgersohn aus Ulm hat Visionen – und setzt sie erst als streitbarer Manager, dann als Präsident beharrlich um. Er sei kein „Besserwisser, sondern ein Bessermacher. Ich wollte den FC Bayern nach oben bringen, um jeden Preis“, sagt er, bis auf „meine Steuergeschichte“ habe er dabei „nicht so viele gravierende Fehler gemacht“. Es sei ein Verein entstanden, „der für moderne Menschenführung steht und sehr familiär geführt ist“, betont Hoeneß. Trotz der „riesigen Erfolge“ habe „immer der Mensch im Mittelpunkt gestanden. Und ich habe nie einen Menschen geopfert“, fügt er nachdrücklich an. Es gibt in Hoeneß‘ bewegtem Leben, das 1982 bei einem Flugzeugabsturz fast schon vorbei gewesen wäre, nur wenige Dinge, die ihn zweifeln lassen: wie die Daum-Affäre im Jahr 2000. „Da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, ich weiß nicht mehr weiter“, erzählt Hoeneß. Er habe „die ganze Welt“ gegen sich gehabt. Was ihn am Ende rettet, ist die „wahnsinnige Entscheidung“ von Christoph Daum, sich einer Haarprobe zu unterziehen. Ansonsten „hätte ich dieses Spiel nie gewinnen können“. Dieses Spiel gewinnt Hoeneß noch, doch bei seiner eigenen Steuer-Affäre nimmt sein Ansehen dauerhaft Schaden. „Wegen sieben tatmehrheitlicher Fälle der Steuerhinterziehung“ wird er 2014 zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. „Ich fühlte mich in diesen Tagen auf die andere Seite der Gesellschaft katapultiert, ich gehöre nicht mehr dazu. Ich mache mir riesige Vorwürfe. Ich habe Riesenmist gebaut“, sagt Hoeneß danach, „aber ich bin kein schlechter Mensch“.

Hoeneß hinterlässt beim FC Bayern ein bestelltes Feld

Nach seiner Haftentlassung beschließt er, kürzerzutreten und sich etwas zurückzunehmen. Die Vorsätze halten jedoch nicht lange. Hoeneß mischt sich schnell in gewohnter Manier ein – und das wird wohl auch nach seinem Abschied als Präsident und Aufsichtsratschef so bleiben. Er werde, kündigt er bereits an, „die Abteilung Attacke wieder ausfahren. Immer, wenn ich Unsachliches höre und sehe, werde ich den Verein wie eine Glucke bewachen“. Seinem Nachfolger Herbert Hainer hinterlässt er ein bestelltes Feld. 750 Millionen Euro Umsatz generiert der FC Bayern heute, weist aktuell 52 Millionen Euro Gewinn aus, hat knapp 300.000 Mitglieder und über 1000 Mitarbeiter. Die Allianz Arena ist abbezahlt, die Basketball-Abteilung im Aufschwung. Es ist das Lebenswerk von Hoeneß. Mit diesem Begriff könne er „nichts anfangen“, betont er jedoch. Auch auf eine Statue lege er deshalb „keinen Wert“. Wichtig ist ihm nur, dass seine Nachfolger den Verein in seinem Sinne weiterführen. Und was macht Hoeneß? „Über meine Zukunft“, sagt er, „werde ich am Samstag nachdenken, wenn ich am Tegernsee aufwache.“

Herbert Hainer: Sportfan, Dessertgegner, Hoeneß-Freund

Beim Empfang des FC Bayern in der Staatskanzlei hielt sich der künftige Präsident Herbert Hainer dezent zurück, beim Münchner Oktoberfestbesuch mochte der Nachfolger von Uli Hoeneß nicht für Fotos posieren. Die Zeit im Hintergrund ist für den neuen starken Mann an der Spitze des deutschen Fußball-Rekordmeisters von Freitag an aber vorbei. Der langjährige Adidas-Chef (65) soll dann von den Vereinsmitgliedern zum Club-Oberhaupt gekürt werden. „Ich halte Herbert Hainer für einen Mann, der für diese Position absolut perfekt geschaffen ist. Er ist ein Mann des Sports, er hat viel Ahnung vom Sport, er hat viel Ahnung von Wirtschaft“, rühmte der scheidende Präsident Hoeneß (67) seinen guten Freund. „Herbert Hainer gebe ich keine Ratschläge, der ist ein gestandener Vollprofi.“ Eine Profi-Vergangenheit in rot-weiß wie Hoeneß oder Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge kann der frühere Landesligafußballer Hainer aber nicht vorweisen. „Ich war relativ schnell, aber meine technischen Fähigkeiten waren limitiert. Dafür habe ich immer bis zur letzten Minute gekämpft und nie aufgegeben“, sagte Hainer. „Ich glaube, das hat mich auch später in meinem Berufsleben ausgezeichnet: Ich sehe in erster Linie die Chancen, nicht die Probleme.“ Der schon als „Herr der drei Streifen“ titulierte Hainer bringt 15 Jahre Erfahrung als Chef eines Global Players mit. Fordernd, zielstrebig und teamorientiert führte der 1954 einen Tag vor dem WM-Gewinn beim „Wunder von Bern“ in Niederbayern geborene Hainer den Sportartikelkonzern in die Moderne. Der Börsenwert wurde in der Zeit verfünffacht, der Umsatz mehr als verdoppelt. „Einer, der Adidas führen kann, kann auch den FC Bayern führen“, sagte Hoeneß. Man könnte es aber auch anders herum formulieren: Einer, der ein Milliarden-Imperium gelenkt hat, traut sich sicher den FC Bayern zu.

Uli Hoeneß hinterlässt „riesige Fußspuren“ beim FC Bayern

Hoeneß hinterlasse aber „riesige Fußspuren“, sagte Hainer, für den der Club auch eine Herzensangelegenheit ist. „Als Fan habe ich den FC Bayern immer schon geliebt, als Aufsichtsrat habe ich zudem sehr zu schätzen gelernt, wie professionell dieser Verein aufgestellt ist“, sagte Hainer, der schon 18 Jahre im Kontrollgremium der Münchner ist. „Der Unterschied zu anderen Aufsichtsratsmandaten sind die Emotionen, wenn wir bei den Sitzungen über die vorangegangenen Spiele diskutieren“, umschrieb es Hainer. Anders als von Hoeneß, dessen emotionale und impulsive Art in der Liga berühmt und gefürchtet ist, sind vergleichbare Hainer-Momente nicht überliefert. Der Geschichte, dass er in einem eigenen Spiel beim Stand von 8:0 nach einem Elfmeterpfiff in der 90. Minute den Schiedsrichter attackiert haben soll, widerspricht er im Vereins-Magazin „51“ aber nicht. „Diese Geschichte liegt an meinem Gerechtigkeitssinn“, sagte der „Freund offener Worte“. „Und dann rege ich mich eben auch in einer 90. Minute bei einem 8:0 auf.“ Wie Hoeneß stammt Hainer aus einer Metzgerfamilie. Von der Freundschaft rückte er nicht ab, als Hoeneß wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis war. „Und als unsere Tochter gestorben ist, war er der Erste, der anrief und fragte, wie er helfen kann. Entscheidend ist nicht, wer mit dir lacht, wenn es dir gut geht. Da hat man viele Freunde. Entscheidend ist, wer mit dir weint, wenn es dir schlecht geht“, sagte Hainer. Seine Tochter wurde 23 Jahre alt. Seitdem „gibt es tatsächlich nicht mehr viel, was mir Angst macht“, erzählte er.

Hainer will alles tun, damit der FC Bayern erfolgreich bleibt

Im Gegensatz zu Hoeneß wirkt der begeisterte Jogger Hainer, dessen Bruder einst für den TSV 1860 München spielte, fast schon asketisch. Beim Essen verzichtet er meistens auf den Nachtisch, „um über die Jahre nicht aus dem Leim zu gehen“, verriet der Sportfanatiker. Vor seiner großen Wirtschaftskarriere arbeitete er als Wirtshaus-Betreiber, stand im letzten Studienjahr selbst am Zapfhahn. Hainer ist durch seine 15 Jahre an der Adidas-Spitze von 2001 bis 2016 bestens vernetzt im Fußball. Phasenweise galt er sogar als Kandidat für das Präsidentenamt des DFB. „Ich musste mich beeilen, dass ja nichts dazwischen kommt“, sagte Hoeneß im Sommer. Zusammen mit Oliver Kahn als künftiger Vorstandschef soll Hainer die Erfolgsstory des FC Bayern fortschreiben. „Ich bin überzeugt, dass diese Kombination aus fußballerischem und wirtschaftlichem Background sehr gut funktionieren wird“, sagte Hainer. „Ich kann jedem nur versprechen, dass ich alles tun werde, um den FC Bayern auf dieser Erfolgsspur der letzten 20, 30 Jahre weiterzuführen.“ Ruhe wünscht sich Hainer beim Fußballschauen – vermutlich ein frommer Wunsch, solange Hoeneß und der bis 2021 im Amt fungierende Rummenigge dabei sind. „Uli kann bei gewissen Situationen explodieren. Karl-Heinz hingegen könnte auch als TV- oder Radiokommentator arbeiten – noch dazu als einer mit gewaltigem fußballerischem Sachverstand“, sagte Hainer schmunzelnd.

Salihamidzic-Beförderung nur „vorbehaltlich“

Sportdirektor Hasan Salihamidzic wird beim FC Bayern München zum 1. Juli 2020 befördert – vorbehaltlich. Zuvor sind noch wichtige Details zu klären. Der Aufsichtsrat habe bei seiner jüngsten Sitzung zunächst lediglich „seine Absicht erklärt“, Salihamidzic in den Vorstand zu berufen, heißt es auf Nachfrage von „Bild“ seitens des FC Bayern. Die Berufung sei zudem „vorbehaltlich der nun anstehenden Vertragsgespräche“ geplant. Am Montagabend hatte der Münchner Aufsichtsrat auf der letzten Sitzung seines Vorsitzenden Hoeneß, der am Freitag bei der Jahreshauptversammlung nicht mehr zur Wahl antreten wird, den Entschluss gefasst. „Hasan Salihamidzic ist seit Sommer 2017 Sportdirektor des FC Bayern und hat in dieser Zeit hervorragende Arbeit geleistet“, teilte der Verein mit. „Dies gilt nicht nur für den Profibereich, in dem er wesentlich für den sportlichen Erfolg der letzten Jahre mitverantwortlich ist, sondern auch für den Bereich der Jugend- und Nachwuchsförderung im Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern.“

Hoeneß stellt sich demonstrativ vor „Brazzo“

Hoeneß gilt als Befürworter des umstrittenen Salihamidzic. Erst am Sonntag hatte er bei „Sport1“ gegen angeblich unsachliche Kritik und die „despektierlichen“ Äußerungen gewettert. „Hasan hat einen guten Job dieses Jahr gemacht. Dass er nicht ständig genannt wird, zwischen Karl-Heinz (Rummenigge, d. Red.) und mir, ist klar. Aber es ist unverschämt, wie mit ihm umgegangen wird.“ So seien etwa die aus Hoeneß‘ Sicht gelungenen Transfers der Weltmeister Lucas Hernández und Benjamin Pavard sowie von Talent Alphonso Davies „auf seinem Mist gewachsen“. Salihamidzic ist seit 31. Juli 2017 Sportdirektor des FC Bayern. Sein Vertrag in dieser Funktion läuft noch bis Saisonende. „Ich tue alles nach bestem Wissen und Gewissen. Ich habe immer versucht, für den Klub das Beste zu tun. Solche Spiele sind gute Bestätigungen“, sagte Salihamidzic am Samstag nach dem 4:0 gegen Dortmund. Es habe in den letzten zweieinhalb Jahren „einige turbulente Zeiten“ gegeben, „die wir doch ganz gut gemeistert haben. Auch mit der Transfermarkt-Phase dieses Jahr. Das war viel Arbeit, aber das gehört dazu. Das macht Spaß.“ Vorstandschef der Münchner ist Karl-Heinz Rummenigge, dessen Vertrag bis 31. Dezember 2021 läuft und der dann von Oliver Kahn abgelöst wird. Dem Vorstand des Rekordmeisters gehören zudem Jan-Christian Dreesen (Finanzen und Controlling), Andreas Jung (Marketing, Sponsoring und Events) und Jörg Wacker (Internationalisierung und Strategie) an. Kahn soll ab 1. Januar als einfaches Vorstandsmitglied eingearbeitet werden.

Quellen:

https://www.sport.de/news/ne3857478/ikone-des-fc-bayern-uli-hoeness-zwischen-vater-teresa-und-raubritter/

https://www.sport.de/news/ne3857480/fc-bayern-herbert-hainer-sportfan-dessertgegner-hoeness-freund/

https://www.sport.de/news/ne3856151/fc-bayern-salihamidzic-befoerderung-nur-vorbehaltlich—wichtige-details-zu-klaeren/