Die Masern-Impfquote in Deutschland ist zu gering, um einen Ausbruch zu verhindern. Der Bundestag soll deshalb heute eine Impfpflicht beschließen. Doch Skeptiker meinen, das könnte kontraproduktiv sein.
Von Nadine Bader, ARD-Hauptstadtstudio Berlin
Impfen gehört zum Alltag von Kinderarzt Jakob Maske. Aber immer häufiger kommen impfkritische Eltern in seine Praxis. Wenn der Arzt vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte dann über die Risiken von Krankheiten aufklärt, kann er die Eltern meist überzeugen. Der Kinderarzt warnt, dass Masern im schlimmsten Fall zu einer tödlichen Gehirnentzündung führen können. „Masern können aber auch noch andere Komplikationen hervorrufen, wie zum Beispiel Ohrenentzündungen, die dann zu lebenslangen Hörstörungen führen, oder schwere Lungenentzündungen und anderes“, sagt der Arzt.
Impfquote gegen Masern ist zu gering
Nur wenn mindestens 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, können sich Masern nicht mehr ausbreiten. Erst dann wären auch die geschützt, die sich nicht impfen lassen können, zum Beispiel weil sie krank sind. Oder Babys, die noch zu klein zum Impfen sind. Laut Robert Koch-Institut waren zuletzt 92,8 Prozent der Schulanfänger ausreichend gegen Masern geschützt. Dafür sind zwei Impfungen nötig. Die Impfquote in Deutschland ist also noch zu gering, um Masernausbrüche zu verhindern.
Kinderarzt Maske findet es deshalb gut, dass Bundesgesundheitsminister Spahn eine Masern-Impfpflicht einführen will. Spahn räumt ein, dass eine Pflicht zum Impfen ein Eingriff in die „körperliche Unversehrtheit“ sei. Der Bundesgesundheitsminister hält das in der Abwägung aber für vertretbar. Spahn sagt, es gehöre zur Freiheit auch dazu, sich darauf verlassen zu können, „dass mich andere nicht unnötig gefährden. Und eine Maserninfektion wäre eine unnötige Gefährdung, weil es einen sehr, sehr sicheren Impfstoff gibt.“
Bei Verstößen Bußgelder durch Gesundheitsämter
Spahns Gesetzentwurf sieht vor, dass Kinder, die in die Kita oder die Schule gehen, geimpft sein müssen. Gleiches gilt für Erzieher, Lehrer, medizinisches Personal und Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben. Die Gesundheitsämter sollen das kontrollieren. Bei Verstößen können sie Bußgelder von bis zu 2500 Euro verhängen oder nicht geimpften Kindern den Besuch einer Kita verbieten.
Der Kinderarzt Maske bezweifelt, dass die Gesundheitsämter dieser Aufgabe gewachsen sind. Er sagt, der öffentliche Gesundheitsdienst sei auch jetzt schon völlig überfordert und leider seien dessen Gelder in der letzten Zeit auch noch gekürzt worden. Ein Problem, das auch die Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation, Cornelia Betsch, sieht. Die Wissenschaftlerin der Universität Erfurt hat dazu geforscht, warum Menschen sich impfen lassen oder sich dagegen entscheiden.
Impfpflicht – womöglich Aufwind für Impfgegner?
Betsch kommt zu dem Ergebnis, dass eine Impfpflicht nicht ausschlaggebend dafür ist, dass die Impfquote steigt. Die Psychologin sieht sogar die Gefahr, dass Impfgegner durch eine Impfpflicht Aufwind bekommen könnten und freiwillige Impfungen weniger wahrgenommen werden. Sie sagt, dass es klüger wäre, die Gesundheitsämter wieder stärker impfen zu lassen. „Dann könnten die zum Beispiel wieder in Schulen gehen, in Kindergärten und wieder eine Impfstelle aufmachen.“
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es hierzu, dass die Krankenkassen mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst zusammenarbeiten sollen. Zum Beispiel, um Reihenimpfungen in Schulen anzubieten, sagt der Bundesgesundheitsminister. Die Wissenschaftlerin Betsch hält das für hilfreich, wenn solche Angebote zügig umgesetzt werden. Im Kern geht es aus ihrer Sicht darum, es den Menschen so einfach wie möglich zu machen, sich impfen zu lassen.
Automatisches Impferinnerungssystem
Die Psychologin plädiert deshalb dafür, ein automatisches Impferinnerungssystem einzuführen: „Zum Beispiel durch die Krankenkassen, die die Daten ja haben, oder auch durch die Ärzte. Das würde sicherlich einen guten Effekt haben.“ Kinderarzt Maske bemüht sich schon jetzt darum, seine kleinen Patienten und deren Eltern an nötige Impfungen zu erinnern. Denn oftmals sind auch die Eltern nicht ausreichend gegen Masern geschützt.
Über dieses Thema berichtete am 14. November 2019 das Erste um 07:08 Uhr im ARD-Morgenmagazin, die tagesschau um 07:30 Uhr und NDR Info um 08:38 Uhr.
Quelle ist von tagesschau.de