Israel zu Siedlungspolitik: „Dies ist ein historischer Tag“

Erfreut hat Israel auf die erneute Kehrtwende der USA im Nahost-Konflikt reagiert. Siedlungsbau im Westjordanland legal? Das nützt dem angeschlagenen Premier Netanyahu.
Von Tim Aßmann, ARD-Studio Tel Aviv
Auch diese – für ihn guten – Nachrichten aus Washington schienen Benjamin Netanyahu nicht zu überraschen. Israels Regierungschef war informiert, bevor US-Präsident Donald Trump vor knapp zwei Jahren das ungeteilte Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannte. Netanyahu war persönlich dabei, als Trump in diesem Jahr Israels Souveränität über die Golanhöhen bestätigte.
Als die Trump-Regierung nun die nächste Kehrtwende im Nahost-Konflikt vollzog, reagierte Netanyahu auch sehr zügig. Dass die israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten aus Sicht Washingtons nun nicht mehr völkerrechtswidrig sind, sei die Korrektur eines historischen Fehlers, erklärte der israelische Premier:
„Bürger Israels: Dies ist ein historischer Tag und ein großer Erfolg unserer Politik. Nachdem Präsident Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels und unseren Anspruch auf die Golanhöhen anerkannt hat, räumt die US-Regierung nun mit der Lüge auf, die Siedlungen seien illegal. Ich danke Präsident Trump und Außenminister Pompeo.“
„Konflikt wird sich nie juristisch lösen lassen“
Keine Stunde zuvor hatte US-Außenminister Mike Pompeo den Bruch mit der jahrzehntelangen juristischen Sicht von US-Regierungen auf eine der Kernfragen im Nahostkonflikt verkündet. Noch vor drei Jahren hatte die Obama-Regierung im UN-Sicherheitsrat eine Resolution passieren lassen, die den Siedlungsbau als rechtswidrig und Hindernis für den Frieden bezeichnete.
Nun erklärte Pompeo, die israelischen Siedlungen im Westjordanland seien nicht per se unvereinbar mit internationalem Recht. „Die Wahrheit ist, dieser Konflikt wird sich nie juristisch lösen lassen nach dem Motto: Wer hat Recht und wer nicht? Das bringt keinen Frieden. Dieses komplexe politische Problem kann nur durch Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern gelöst werden.“
Israel sei zu Verhandlungen bereit, betonte Netanyahu in seiner Reaktion. Aber sein Land weise jeden Versuch zurück, die Siedlungen für illegal zu erklären. Nach Ansicht des israelischen Außenministers Israel Katz ist die Entscheidung aus Washington die richtige Antwort auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der vergangenen Woche. Der EuGH hatte entschieden, dass Produkte aus den Siedlungen als solche zu kennzeichnen sind und nicht die Herkunftsbezeichnung Israel tragen dürfen.
650.000 israelische Siedler
Im arabischen Ostjerusalem und dem Westjordanland leben mittlerweile rund 650.000 israelische Siedler. Der fortgesetzte Siedlungsbau gilt als zentrales Hindernis für eine politische Lösung des Nahost-Konfliktes. Mit ihrer neuen Einschätzung zum rechtlichen Status der Siedlungen stellen sich die USA gegen die völkerrechtliche Sicht einer Mehrheit der Staatengemeinschaft, zu der auch Deutschland gehört.
Die palästinensische Politik verurteilte die Erklärung des US-Außenministers. Saeb Erekat, Generalsekretär der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, verlangte von der internationalen Gemeinschaft eine entschiedene Reaktion: „Israelische koloniale Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten inklusive Ostjerusalem sind nicht nur illegal, sie sind Kriegsverbrechen“, sagte er. „Die Aussagen von US-Außenminister Pompeo müssen zurückgewiesen und verurteilt werden.“
Entscheidung hilft Netanyahu 
Israels Regierungschef Netanyahu wird versuchen, aus der Entscheidung von Washington innenpolitisches Kapital zu schlagen. Netanyahu, der mit einer Korruptionsanklage rechnen muss, droht sein Amt an Oppositionsführer Benny Gantz zu verlieren, dessen Bündnis bei den Wahlen im September stärkste Kraft wurde und der zur Zeit versucht, eine Regierung zu bilden. Doch auch ein Ministerpräsident Gantz dürfte die neue Haltung der US-Regierung zu den Siedlungen als Stärkung der israelischen Ausbaupläne verstehen.
Quelle ist von tagesschau.de