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Barrierefreiheit ist auch für sehende Menschen wichtig“

Bei Socken und dem Einkauf: Wie Apps Blinden helfen
Apps, die zwischen grünen und roten Socken unterscheiden können, oder Klingelschilder vorlesen: Das Smartphone bietet blinden Menschen neue Möglichkeiten. Wo es dennoch Nachholbedarf gibt, erklärt Thomas Kahlisch im Interview.
Am 4. Januar ist der Welt-Braille-Tag. Braille ist eine Schrift für blinde und stark sehbehinderte Menschen, die aus sechs Punkten gebildet wird. Jede Punktekombination ergibt einen Buchstaben. Über eine entsprechende Tatstatur können Betroffene so auch am Computer schreiben.
Mittlerweile finden sich aber auch Apps und andere Geräte, die blinden und sehbehinderten Menschen im Alltag helfen sollen. Im Interview erklärt Thomas Kahlisch, Direktor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig, wie die Digitalisierung den Alltag dieser Menschen verändert hat, welche Probleme es noch gibt und warum auch sehende Menschen von Barrierefreiheit profitieren.
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t-online.de: Was hat sich für Sie mit der Digitalisierung verändert?
Mit dem PC und jetzt dem Smartphone, dem digitalen Taschenmesser, sind eine ganze Menge Dinge mehr möglich und praktikabler. Die Frage dabei ist immer, ist es barrierefrei und ist das Angebot für mich nutzbar. Wenn beispielsweise ein Zeitschriftenartikel nur aus Grafiken besteht und der Inhalt nicht barrierefrei aufgearbeitet ist, kann ich den Inhalt nicht lesen. Das sieht dann vielleicht schön auf dem Bildschirm aus, aber die Information ist in der Grafik versteckt und nicht zugänglich.
Trotz der Fortschritte, welche Probleme bestehen immer noch?
Der digitale Wandel führt dazu, dass Haushaltsgeräte für Blinde nur noch schwierig oder gar nicht mehr benutzbar sind, wenn ich nur noch einen Touchscreen habe und der nicht mal mit mir spricht, wie das Smartphone. Ich kann Punkte als Markierung an die Stellen aufkleben, oder ich kann die Waschmaschine mit einer App koppeln und darüber bedienen, aber nicht jeder ist ständig mit seinem Smartphone unterwegs und deshalb sollten die Geräte selbst barrierefrei entwickelt werden.
Thomas Kahlisch ist Direktor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig und Mitglied im Präsidium des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV). Er ist promovierter Informatiker und lehrt an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur HTWK Leipzig im Bereich Interfacedesign, sowie an der Universität Leipzig im Bereich spezielle Buchwissenschaft.
Ist das Problem den Entwicklern bewusst?
Wir sind da immer wieder in der Diskussion und Apple und Google haben dazu auch eigene Richtlinien. Aber die Programmierer muss man sensibilisieren, dass sie ihre Anwendungen von vornherein auch barrierefrei gestalten. Eine barrierefreie Aufarbeitung ist nicht nur für blinde und sehbehinderte, sondern auch für sehende Menschen wichtig, die ihre Zeitschrift digital lesen wollen. Man hat manchmal große Bildschirme, kleine Bildschirme, PCs, oder Tablets, und um einen Text dort überall lesbar zu machen, braucht es Barrierefreiheit.
Jetzt gibt es eine Smartwatch mit Braille-Schrift. Ist solch eine Uhr sinnvoll?
Das ist eine schöne Sache. Ich bin ja selbst beruflich tätig und stellen sie sich mal vor, ich habe nur eine sprechende Uhr. Dann ist es natürlich sehr nervig und peinlich, wenn ich in einem Meeting sitze und die Uhr sagt laut die Zeit an. Da ist eine Uhr, in der Braille-Schrift direkt integriert ist, sehr nützlich, aber auch an Smartphones lässt sich über Bluetooth eine Braille-Tastatur anschließen.
Welche Hilfsmittel benutzen Sie sonst noch im Alltag?
Ich benutze beispielsweise eine App, um meine Einkäufe im Supermarkt vorzubestellen, denn stellen Sie sich mal vor, sie stehen als blinder Mensch vor dem Supermarktregal und wollen ihre Lieblings-Joghurt-Sorte nehmen. Das ist total schwierig. Dann benutze ich die App und kann die Produkte zu einer bestimmten Uhrzeit bestellen.
Dann bin ich letztlich immer noch abhängig und nicht völlig frei darin, wann ich einkaufen gehe, oder?
Ja natürlich, aber wenn ich mich mit einem Freund zum Einkaufen verabreden muss, ist das auch so. Es gibt aber auch mittlerweile Apps, die mir sagen, ob ich jetzt zwei rote Socken, oder eine rote und eine grüne in der Hand halte. Auf Reisen benutze ich eine App, die mir sagt, ob das Licht im Hotelzimmer an ist, denn auch, wenn ich selbst nicht sehen kann, ist es sehr ungesund, bei Licht zu schlafen. So entstehen für uns Alternativen, die wir früher gar nicht hatten.
Was wünschen Sie sich denn noch für die Entwicklung?
Die Erkennung von Texten und Schildern könnte besser werden, aber daran arbeiten die Entwickler bereits. Doch bei neuen Produkten sollte von Anfang an Barrierefreiheit mitgedacht werden, denn es ist nichts schlimmer als ein fertiges Produkt, das eine ganze Gruppe ausschließt und hinterher mit viel Geld wieder überarbeitet werden muss.
Quelle ist von t-online.de