Sein erstes Fußballspiel für die Profi-Mannschaft des FC Bayern absolviert
Thomas Müller am 15. August 2008. In der 80. Minute wechselt ihn – und jetzt
Obacht – Trainer Jürgen Klinsmann für Miroslav Klose ein. Es ist ein
unauffälliger Auftritt von Müller, anders als nun beim Wiedersehen.
Gegen einen Mann wie Thomas Müller würde sich Jürgen Klinsmann ganz sicher
nicht wehren. Denn ein Mann wie Thomas Müller würde mit einem mächtigen
Donnerhall alle sportlichen Sehnsüchte des Hertha-Trainers erfüllen. Er
würde den Fußball-Glamour nach Berlin bringen, den der „big city club“ für
seine „big city club“-Visionen dringend benötigt.
Er wäre ein Mann aus dem obersten Transferregal, aus dem sich die Berliner
nach dem Einstieg von Investor Lars Windhorst nun bedienen möchten. Und er
wäre die perfekte Antwort auf das Gesuch des Trainers nach einer enormen
Hilfe – sein ehemaliger Assistent Joachim Löw sieht das eventuell ein wenig
anders – für die lahmende Offensive. Dieses hatte Klinsmann am Tag nach der
0:4-Klatsche gegen den FC Bayern abgesetzt. Die Klatsche hatte ausgerechnet
Müller eingeleitet.
Müller und Klinsmann, das ist ohnehin eine besondere Beziehung. Denn
tatsächlich war es der 55-Jährige, der den Offensivspieler einst in München
zu den Profis holte und ihn am 15. August 2008, beim 2:2 am 1. Spieltag
gegen den Hamburger SV, in der 80. Minute einwechselte. Für Stürmer Miroslav
Klose, der damals schlechtester Spieler beim FC Bayern war. Der „kicker“
verpasste ihm eine glatte Fünf. Damit war er aber immerhin noch eine halbe
Note besser als Hamburgs Rechtsverteidiger Jérôme Boateng (!).
Thomas Müller beim FC Bayern wieder wichtig
Müller wurde nicht bewertet. Seine Spielzeit reichte schlicht nicht aus. Und
auch sonst war das Debüt des 18-Jährigen den Kollegen nicht eine Zeile der
Erwähnung wert. Es ging vielmehr um den Stotterstart der Münchner.
Von solchen Diskussionen ist Klinsmann in Berlin befreit. Eine knappe
Niederlage zum Debüt gegen Borussia Dortmund, danach acht Punkte aus vier
Ligaspielen und nun halt die Klatsche gegen den FC Bayern (kann mal
passieren) – das ist auf jeden Fall mal solide. Was indes nicht mit dem
eigenen, mittelfristigen Anspruch übereinkommt. Sei’s drum. Müller dagegen
kommt seinen eigenen Ansprüchen derzeit sehr nah.
Er spielt viel. Er spielt gut. Und er ist unter Hansi Flick wieder einer,
der die wichtigen Dinge tut. Zwar hat Müller bislang „nur“ drei Tore in der
Liga geschossen, dafür aber zwölf vorbereitet. Seit Beginn der detaillierten
Datenerfassung in der Saison 2004/05 war das noch keinem Fußballer zu so
einem frühen Zeitpunkt der Saison gelungen. Ein schöner Rekord. Und dennoch
ist es so: „Am meisten Spaß machen schon die eigenen Tore, deshalb war es
ein schöner Tag für mich, für die Mannschaft.“
„… da war ich gerade beim Abschlussball“
Und ein spezieller? „Das habe ich auf dem Platz kurz ausgeblendet, aber mich
trotzdem gefreut“, erzählte Müller und kam fortan ganz locker ins Plaudern.
„Ich habe Jürgen Klinsmann vor dem Spiel getroffen, das war schon etwas
Besonderes. Ich habe noch den Anruf auf dem Anrufbeantworter im Ohr, als er
mich vor der Saison 2008/09 angerufen und zum Trainingslager der Profis
eingeladen hat. Da war ich gerade beim Abschlussball vom Gymnasium, deswegen
ist das schon eine besondere Beziehung, auch wenn wir nicht lange
zusammengearbeitet haben. Aber Jürgen Klinsmann ist schon eine Nummer im
deutschen Fußball.“
Das gilt freilich ebenso für Müller. Durch den ersten Treffer der Bayern in
der Rückrunde wurde er zum Beispiel zum ersten Spieler, der seit 2009 in
allen zwölf Kalenderjahren getroffen hat. Wie Klinsmann ist auch er
Weltmeister. Hinzu kommen unzählige Titel mit dem FC Bayern. Unter anderem
acht deutsche Meisterschaften. Und die neunte soll folgen. Noch in dieser
Saison.
Diese müssen sich die Münchner aus ungewohnter Rolle, als Verfolger von RB
Leipzig nämlich, erarbeiten. Es ist aber offenbar eine Rolle, mit der sich
Müller und dessen Teamkollegen nach einer turbulenten Hinserie mit der
Entlassung von Coach Niko Kovac mehr und mehr gut anfreunden können. „Wir
waren unter Druck und dieses Gefühl gibt uns Selbstvertrauen für die
nächsten Aufgaben.“ Die überübernächste in der Liga heißt: RB Leipzig.
Quelle: Sport.de