[PRO RETINA News] AMD: Rolle eines Regulationsproteins des Komplementsystems

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Bedeutung eines Proteins des Komplementsystems bei Entstehung der AMD

Wissenschaftler um Prof. Simon Clark vom Forschungsinstitut für
Augenheilkunde am Universitätsklinikum Tübingen haben in einer aktuellen
Arbeit den Einfluss eines Proteins ( Faktor-H (FH) und der mit dem
Komplementfaktor H (CFH) assoziierten Gene (CFHR1-5) für die
Erkrankungsanfälligkeit (Prädisposition) für die altersbedingten
Makuladegeneration (AMD) untersucht. Es handelt sich dabei um ein Protein,
das bei der Regulation des Immunsystems eine Rolle spielt und bei
AMD-Patienten verstärkt gebildet wird. Die Ergebnisse könnten nun zur
Entwicklung von neuen Diagnose- und Behandlungsverfahren führen, sagen die
Wissenschaftler. Ziel der Arbeit ist es, entsprechende Ansatzpunkte für eine
pharmakologische Intervention zu finden. Die Ergebnisse ihrer Studie haben
die Forscher im Journal „Nature Communications“ [1]publiziert.

Die bisherige Erforschung der AMD hat gezeigt, dass die Entstehung beider
Formen auf einer gemeinsamen Grundursache basiert. Dabei zeichnete sich
bereits ab, dass es genetische Veranlagungen gibt, die mit einem erhöhten
Erkrankungsrisiko verknüpft sind. Es gab zudem Hinweise darauf, dass der
AMD-Entstehung Fehlfunktionen des Immunsystems im Auge zugrunde liegen. Vor
diesem Hintergrund hat nun ein internationales Forscherteam die mögliche
Bedeutung eines Proteins namens FHR-4 ins Visier genommen. Es besitzt eine
Funktion im sogenannten Komplementsystem, das bei Entzündungen und der
Abwehr von Infektionen eine Rolle spielt. Doch um effektive Medikamente zur
Behandlung der AMD entwickeln zu können, muss zunächst verstanden werden,
was in der Fein-Regulation des Komplementsystems falsch läuft. Die
Wissenschaftler aus Tübingen, Manchester, Cardiff, London und Nijmegen
gingen daher der Frage nach, ob auch andere Regulatoren des Komplementsystems
beim Kontrollverlust im Immunsystem eine Rolle spielen.

Erhöhte Proteinkonzentration im Blut bei AMD

Durch Untersuchungen des Bluts von 484 AMD-Patienten und 522 gleichaltrigen
Kontrollpersonen konnten die Forscher nun nachweisen: Die Erkrankung ist mit
einer deutlich erhöhten Konzentration von FHR-4 im Blut verbunden. Offenbar
sammelt sich das Protein auch intensiv im Auge an, ergaben anschließend
Untersuchungen. FHR-4 kommt demnach speziell in der Makula erhöht vor –
der von der Krankheit betroffenen Augenregion. „Bis jetzt gab es nur
Hinweise auf eine mögliche Rolle von FHR-Proteinen. Jetzt konnten wir einen
direkten Zusammenhang nachweisen“, sagt Co-Autor Simon Clark von der
University of Manchester.

Um genetische Besonderheiten aufzuspüren, die mit dem erhöhten
FHR-4-Spiegel bei AMD-Patienten verknüpft sein könnten, führten die
Forscher anschließend eine sogenannte genomweite Assoziationsstudie durch.
Die dadurch identifizierten genetischen Besonderheiten passen ihnen zufolge
auch zu genetischen Varianten, die bereits in früheren Untersuchungen mit
einem erhöhten AMD-Risiko verknüpft wurden.

Hoffnung auf neue Diagnose- und Behandlungsverfahren

Unterm Strich geht aus den Ergebnissen nun hervor, dass vererbte genetische
Veränderungen zu einem erhöhten FHR-4-Spiegel im Blut führen, der dann
eine unkontrollierte Aktivierung der Immunreaktionen im Auge hervorrufen
kann, die am Anfang der Entwicklung der beiden AMD-Formen steht. „Die
kombinierten Protein- und genetischen Befunde liefern nun überzeugende
Beweise dafür, dass FHR-4 eine Schlüsselrolle für den Teil des
Immunsystems spielt, der die Augen beeinflusst“, sagt Co-Autor Paul Bishop
von der University of Manchester.
Wie er und seine Kollegen erklären, liefern die Ergebnisse nun wichtige
Ansatzpunkte für die weitere Forschung und vor allem für die Entwicklung
von neuen Diagnose- und Behandlungsverfahren. „Abgesehen von dem
verbesserten Verständnis der Entstehung von AMD zeigt diese Arbeit eine
Möglichkeit auf, das Risiko der Erkrankung vorherzusagen, indem die
Konzentration von FHR-4 im Blut gemessen wird. Außerdem zeichnet sich ein
neuer Weg zur Behandlung ab, indem der Blutspiegel von FHR-4 gesenkt wird, um
die Funktion des Immunsystems in den Augen wieder in Ordnung zu bringen“,
sagt Bishop.

Seine Kollegin Valentina Cipriani von der Radboud-Universität in Nijmegen
ergänzt mit Blick in die Zukunft: „Wir hoffen auch, dass unsere Ergebnisse
nun das Interesse anderer Forschergruppen wecken werden, sodass sie sich an
der Aufklärung der Rolle des Komplementsystems bei der Krankheitsentstehung
beteiligen“, sagt die Wissenschaftlerin.

Originalpublikation: Increased circulating levels of Factor H-Related Protein
4 are strongly associated with age-related macular degeneration. Valentina
Cipriani, Laura Lorés-Motta, Fan He, Dina Fathalla, Viranga Tilakaratna,
Selina McHarg, Nadhim Bayatti, İlhan E. Acar, Carel B. Hoyng, Sascha Fauser,
Anthony T. Moore, John R.W. Yates, Eiko K de Jong, B. Paul Morgan, Anneke I.
den Hollander, Paul N. Bishop & Simon J. Clark. Nature Communications 11,
Article number: 778 (2020) [2]

Quellen: Universität Tübingen [3]; Ophthalmologische Nachrichten online vom
11.2.2020 [4]; wissenschaft.de [5]; idw- Informationsdienst Wissenschaft [6].

Links aus diesem Beitrag:
[1] https://www.nature.com/articles/s41467-020-14499-3
[2] https://www.nature.com/articles/s41467-020-14499-3
[3]
https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/pressemeldungen/meldung/239
[4]
https://biermann-medizin.de/durchbruch-bei-der-erforschung-altersbedingter-makuladegeneration/
[5]
https://biermann-medizin.de/durchbruch-bei-der-erforschung-altersbedingter-makuladegeneration/
[6] https://idw-online.de/de/news731196

Mit freundlichen Grüßen,
Karin Langhammer
Redaktion PRO RETINA News

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