Fürs Tokio-Ticket über die Schmerzgrenze hinaus

Paralympics-Qualifikation: Als letzte deutsche Mannschaft haben die Sitzvolleyballer die Chance, sich mit den Rückkehrern Heiko Wiesenthal und Jürgen Schrapp für die Spiele in Japan zu qualifizieren – Dafür muss beim Turnier in den USA der Sieg her

Die deutsche Sitzvolleyball-Nationalmannschaft kämpft vom 16. bis 21. März um die Teilnahme an den Paralympics. Das Qualifikationsturnier in Oklahoma (USA) ist die letzte Möglichkeit, um sich einen Startplatz bei den Spielen in Tokio zu sichern. Die deutsche Auswahl geht zuversichtlich ins Turnier. Cheftrainer Michael Merten kann personell aus dem Vollen schöpfen und freut sich über zwei Rückkehrer.
 
Die Ausgangslage ist klar: Um sich für die Paralympics in Tokio zu qualifizieren, muss beim Turnier in den USA der erste Platz her. Denn nur der Sieger erhält das letzte noch zu vergebene Ticket. Cheftrainer Merten sieht seine Mannschaft, die vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefördert wird, nach mehreren Trainingslagern und verschiedenen Vorbereitungsturnieren für die bevorstehende Aufgabe gut gerüstet: „Alle Spieler sind soweit fit. Wir sind auf dem Level, wie wir uns das vorgestellt haben.“ Bei der Mission Tokio freut sich Merten mit Heiko Wiesenthal und Jürgen Schrapp über zwei Rückkehrer, die mächtig Erfahrung mitbringen. Wiesenthal erlebte die Spiele zweimal, Schrapp war sogar schon fünfmal dabei – erstmals 1996 in Atlanta und zuletzt 2016 in Rio.
 
Bei der EM im vergangenen Jahr in Ungarn hat Deutschland die Paralympics-Qualifikation trotz Bronze knapp verpasst. Das Team feierte sieben von acht möglichen Siegen und musste sich im Halbfinale nur dem späteren Europameister Russland geschlagen geben. Die guten Leistungen machen Hoffnung für das alles entscheidende Turnier. Entsprechend ist Merten guter Dinge: „Es ist keine Mannschaft dabei, vor der wir uns verstecken müssen. Wenn wir selbst gut spielen, können wir jeden schlagen.“ Die Erwartungen mit Blick auf das Qualifikationsturnier bringt Merten auf den Punkt: „Unser Ziel ist das Ticket für Tokio. Die Ukraine, Kanada und Kasachstan“, zählt der Cheftrainer auf, „sind sicherlich unsere größten Konkurrenten”.
 
Heiko Wiesenthal: Comeback für die Paralympics
 
Einer, der dabei helfen soll, ist Rückkehrer Heiko Wiesenthal. „Heiko ist ein ganz starker und wichtiger Spieler für uns“, erklärt Merten die Bedeutung von Wiesenthal. Der Kapitän der deutschen Mannschaft war 2016 nach den Paralympics in Rio eigentlich schon zurückgetreten, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Seine ehemaligen Mannschaftskameraden hätten ihn jedoch längere Zeit überredet. Nachdem auch seine Frau grünes Licht gegeben hatte, stand seiner Rückkehr ins Nationalteam schließlich nichts mehr im Weg. „Es ist eine Ehre, für sein Land zu spielen“, sagt Wiesenthal und ergänzt: „Ich bin sehr stolz, immer wieder für Deutschland auflaufen zu dürfen und Erfolge zu feiern.“ 
 
Allerdings war es zu Beginn für den 45-Jährigen eine große Herausforderung, sich im Training wieder an das internationale Wettkampfniveau heranzuarbeiten. „Je älter man wird, desto schmerzhafter ist es“, erklärt der Sportler von der BSG Emmelshausen. Doch mit Ehrgeiz und Trainingsfleiß hat er sich wieder zurück zu alter Form gekämpft: „Die Paralympics sind schon eine besondere Motivation. Da geht man auch mal gerne über die Schmerzgrenze hinaus.“
 
Heiko Wiesenthal zählt zu den erfahrensten Spielern in der Mannschaft. Zwei Paralympics-Teilnahmen stehen in seiner Vita, darunter eine Bronze-Medaille bei den Spielen 2012 in London. Heute versucht der Koblenzer, mit seiner Erfahrung sowohl auf als auch neben dem Platz voranzugehen. „Wenn es hektisch wird, versuche ich das Spiel zu beruhigen. Oder eben, wenn nötig, Aggressivität hereinzubringen“, beschreibt Wiesenthal seine Rolle und fügt hinzu: „Außerdem kann ich den jungen Spielern etwas weitergeben.“ Entsprechend weiß der 45-Jährige, worauf es ankommt. „Der Schlüssel wird sein, dass wir uns als Team gut verstehen. Wenn man so lange zusammen ist und eine lange Reise hat, ist das nicht immer einfach. Unser größter Gegner sind wir wahrscheinlich selbst.“ 
 
Dass sich nur der Sieger für die Paralympics qualifiziert, macht die Situation nicht einfacher. Der Druck ist groß. „Manche Spieler werden damit sicherlich zu kämpfen haben. Wir erfahrenen Spieler versuchen daher, den anderen ein wenig den Druck zu nehmen.“ Der Routinier weiß: Für ein erfolgreiches Abschneiden ist es wichtig, möglichst mit einem Erfolgserlebnis in das Turnier zu starten. Auftaktgegner am 16. März ist Lettland. „Unsere Mannschaft hat großes Potenzial. Jetzt müssen wir es unbedingt auch abrufen“, sagt Wiesenthal und zeigt sich zuversichtlich: „In der Vergangenheit war es fast immer so, dass wir uns bei wichtigen Wettkämpfen gesteigert haben und gute Leistungen gezeigt haben“.
 
Nach den Spielen in London sollte für ihn eigentlich schon Schluss sein. „Aus Spaß habe ich damals schon das Lied New York, Rio, Tokio umgedichtet in London, Rio, Tokio“, berichtet Wiesenthal schmunzelnd und ergänzt: „In London und Rio war ich dabei, jetzt fehlt also noch Tokio”. Dass es nun Wirklichkeit werden könnte, hätte er damals nicht für möglich gehalten. Mit guten Leistungen könnte Heiko Wiesenthal selbst dazu beitragen – und sich einen neuen Traum erfüllen.
 
Die Spiele können im Livestream verfolgt werden. 
 
Text: Marcel Wienands
 

Das deutsche Aufgebot im Überblick: 

Dominik Albrecht (32 / Bocholt / TSV Bayer 04 Leverkusen), Stefan Hähnlein (30 / Berlin / TSV Bayer 04 Leverkusen), Torben Schiewe (35 / Celle / MTV Eintracht Celle), Alexander Schiffler (38 / Dresden / Dresdner SC), Lukas Schiwy (25 / Grevenbroich / TSV Bayer 04 Leverkusen), Jürgen Schrapp (45 / Illertissen / TSV Bayer 04 Leverkusen), Dominik Seitz (36 / Starnberg / BSV Ludwigshafen), Mathis Tigler (24 / Dinslaken / TSV Bayer 04 Leverkusen), Francis Tonleu (42 / Akonolinga (Kamerun) / BSG Emmelshausen), Martin Vogel (48 / Sao Paulo (Brasilien) / TG Nürtingen), Heiko Wiesenthal (45 / Mayen / BSG Emmelshausen).
 

Die deutschen Vorrundenspiele:

16. März: Deutschland – Lettland
17. März: Deutschland – Ukraine
18. März: Deutschland – Kroatien

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Mehr Informationen zu den Athletinnen und Athleten des Team Deutschland Paralympics finden sie unter  www.teamdeutschland-paralympics.de