Meine Erfahrung mit Langstocktraining und LPF

In diesem Artikel möchte ich mal von meinen Erfahrungen mit Langstocktraining (umgangssprachlich auch gern Mobi genannt) und LPF (Lebenspraktische Fertigkeiten) berichten. Das sind spezielle Trainings, mit denen Blinde ihren Alltag selbstständiger meistern können.

Zunächst mal muss man das LPF- oder Mobitraining beantragen und da kann es ganz schön lange dauern, bis man eine Kostenzusage durch die Krankenkasse bekommt, weil z. B. LPF bei vielen Krankenkassen leider nicht im Hilfsmittelkatalog aufgelistet ist, wodurch der Zugang zu solchen eigentlich sehr wichtigen Angeboten ziemlich erschwert wird, vor allem für Blinde, die keine Blindenschule besuchen (in Blindenschulen werden diese Trainings oft im Rahmen des Unterrichts angeboten). Ich habe es jedenfalls bekommen, weil ich mit Ritinitis Pigmentosa eine Krankheit habe, bei der das Sehen bei mir immer schlechter werden und bis zur vollständigen Erblindung führen kann.

Langstocktraining
Der Langstock ist für Blinde DAS Hilfsmittel für die Orientierung im Freien. Jeder fängt mit dem Stock an. Selbst wenn man einen Blindenführhund haben möchte, braucht man ein abgeschlossenes Langstocktraining. Und da der Langstock so wichtig ist, ist es entsprechend erforderlich, zu lernen, wie man ihn richtig einsetzt, was auch etwas vom Sehvermögen abhängt: Es gibt Langstockträger, die den Stock nur vor sich herschieben, Blinde lernen in der Regel, mit dem Stock zum Rhythmus der Schritte von rechts nach links zu pendeln und dann gibt es Leute, die haben ihn dabei, benutzen ihn aber eigentlich gar nicht, sondern vielleicht nur in der Nacht oder wenn es irgendwelche unübersichtlichen Situationen gibt. Einige Blinde haben Berührungsängste mit dem Stock, weil sie dann als blind auffallen, oder sie haben Angst davor, z. B. alleine eine Kreuzung zu überwinden, weil da viele Autos fahren. Der Langstocktrainer (oder die Langstocktrainerin) geht ganz individuell auf jede Person ein und übt mit ihr im Einzeltraining, was sie braucht. Los geht es natürlich immer damit, zu lernen, wie man den Stock überhaupt richtig bewegt. Es geht dann weiter, zu lernen, wie man um Hindernisse herumlaufen kann oder eine Straße überquert, erst eine kleine Straße im Wohngebiet, dann eine Straße mit Ampel mit Blindensignal, man lernt Kreisel, verschiedenste Kreuzungen und Zebrastreifen kennen und macht Übungen zum Gehör (insbesondere Richtungshören), um anhand der Umgebungsgeräusche auch eine Ampel ohne Blindensignal oder ein Überweg ohne Ampel sicher hinzubekommen. Wichtig ist auch das effektive Nutzen von Leitlinien, zum einen von den Blindenleitstreifen z. B. im Bahnhof, aber auch Wiesen, Mauern oder akustische Leitlinien (Straßenverkehr rechts/links vom Bürgersteig, auf dem man unterwegs ist) können bei der Orientierung gezielt eingesetzt werden. Auch ich als noch Sehender konnte viel davon mitnehmen. Zum Beispiel war ich bei einem Weg total unsicher bei einer großen Kreuzung, da hat mir der Mobitrainer gezeigt, wie ich dieser Kreuzung entgegentreten kann. Ich habe auch viel anderes noch gelernt, aber das alles aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Bei Mobi- (und auch LPF-) Trainern ist immer das Problem, dass jeder irgendwie eine andere Methode hat und andere Grundeinstellungen und Lernkonzepte verfolgt, aber man kommt mit jedem dahin, wo man hinmöchte. Mein Trainer zumindest war super, nicht nur fachlich, sondern auch zwischenmenschlich. Man hat auch viel mehr Ansporn zu üben. Natürlich sind die Mobitrainer letzendlich Lehrer, aber gleichzeitig auch Dienstleister für den Blinden und das war zumindest in meinem Fall eher so, dass er ein guter Freund war, der mir helfen wollte, besser zu werden und da hatte ich auch mehr Antrieb um mal selbst zu üben.

LPF
2006 hat mein Trainer eine Ausbildung zum LPF-Trainer gemacht und ich bekam auch LPF genehmigt und konnte mich darüber freuen, dass ich das auch mit ihm machen durfte. In LPF fällt alles hinein, was man für den Alltag braucht: Wir haben Fenster geputzt, einfache Gerichte gekocht, Kuchen gebacken, den Umgang mit der Waschmaschine erarbeitet und vieles mehr. Ein Sehender schaut sich vieles ab. Wenn z. B. die Mutter Wäsche aufhängt, weiß er, wie es geht und kann es nachmachen. Er weiß auch sofort, wie eine Salatschläuder funktioniert und es reicht ein Blick in den Backofen, ob der Kuchen schon gut ist. Ein LPF-Trainer weiß, wie man Blinden diese für Sehende oft selbstverständlichen Dinge so vermittelt, dass sie verstanden werden. Es geht hierbei viel ums Fühlen und um die Arbeit mit den Händen, um Sicherheitstechniken (z. B. dass man, wenn man eine Schüssel mit – sagen wir mal Zwiebeln – in eine heiße Ölpfanne kippen will, die Schüssel erstmal mit einer Seite an der Pfanne ansetzt (wenn die Schüssel die Pfanne berührt, spürt man das ja) und dann auskippt). Gerade bei Blinden geht es auch um Ordnungssysteme, um Struktur, um ganz koordiniertes Vorgehen, beispielsweise beim Putzen oder bei der Bearbeitung der Post. Der LPF-Trainer kann auch den Einsatz von Hilfsmitteln wie Text- oder Farberkennungs-Software o. Ä. erklären und zeigen.

LPF und Mobi sind so ziemlich die wichtigsten Sachen, die man mit Blindheit oder Sehbehinderung lernen sollte. Es ist auch überhaupt nicht schlimm, als blind wahrgenommen zu werden, im Gegenteil, Du kannst alleine in der Stadt unterwegs sein oder ich gehe auch oft mit meinem Neffen in den Park. Der zum Beispiel fand es auch am Anfang ganz spannend, als ich dann den Stock ausgeklappt habe und er an meiner Hand gelaufen ist, und es fragen auch viele Kinder, wofür ich den Stock brauche, was auch gut ist, weil sie dadurch besser verstehen, wie ich mit meiner Sehbehinderung mein Leben gestalte. Ich glaube auch, dass es ohne LPF sehr schwierig wäre, in einer eigenen Wohnung zu leben, dabei gibt es ja viele Blinde, die sogar eine Familie mit (sehenden) Kindern und allem Drum und Dran haben, wie Sehende auch. Deshalb ist LPF und Mobi so wichtig und es sind so riesige Erfahrungen, die ich damit machen konnte.