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Änderung bei Erwerb von Bahntickets

Digitale Tickets im Nahverkehr: Ein Fortschritt mit Schattenseiten für viele Menschen

Ein persönlicher Blick auf eine große Umstellung

Hallo liebe Freunde, Mitglieder und Bekannte unseres Netzwerks Cap4Free,

ich bin im Internet auf einen Artikel gestoßen, der mich einmal mehr sehr nachdenklich stimmt. Es geht um eine große Veränderung, die ab dem 1. August 2025 im öffentlichen Nahverkehr von Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird: Die altbekannten Papiertickets mit Entwerterfunktion werden abgeschafft. Ab dann sollen Fahrkarten nur noch digital oder als bereits aktivierte Tickets verfügbar sein. Auf den ersten Blick mag das modern und logisch erscheinen – schließlich besitzen viele Menschen ein Smartphone und nutzen es täglich. Aber was ist mit all denjenigen, für die diese neue digitale Welt nicht oder nur eingeschränkt zugänglich ist?

Was sich konkret ändert – die Pläne des WestfalenTarifs

Laut dem Bericht von RUHR24 will der WestfalenTarif – der größte Tarifverbund in NRW – das Ticketangebot komplett umstellen. Hier die wichtigsten Änderungen im Überblick:

  • Ab 1. August 2025 gibt es keine Papiertickets mit Entwerterfeld mehr.
  • Spätestens ab dem 1. November 2025 werden sämtliche Entwerterautomaten in Bussen, Bahnen und an Haltestellen entfernt.
  • Nur in wenigen Regionen wie Bocholt, Unna oder Paderborn bleiben Entwerter übergangsweise erhalten.
  • Die Fahrgäste sollen Tickets künftig digital per App oder an Automaten kaufen, die direkt gültig sind oder ein festes Startdatum/-zeit enthalten.
  • Neue Ticketoptionen: Smartphone-Tarif eezy.nrw, TagesTicket24 oder EinzelTicket ohne Entwerter.
  • Zahlung bargeldlos über Karte oder Smartphone. In Bussen bleibt Bargeldzahlung vorerst möglich.

Digitalisierung – aber nicht für alle

Die Umstellung mag für viele Menschen sinnvoll erscheinen. Denn ja – ein großer Teil der Bevölkerung zwischen 12 und 60 Jahren besitzt ein Smartphone und kommt mit Apps, QR-Codes oder Online-Tickets gut zurecht. Doch das trifft eben nicht auf alle zu.

Gerade viele ältere Menschen nutzen ihr Smartphone vielleicht nur zum Telefonieren oder um eine SMS zu schreiben. Sie sind nicht mit komplexen Apps vertraut oder haben schlichtweg Schwierigkeiten, diese zu bedienen. Für sie bedeutet diese Umstellung nicht nur eine Herausforderung – sie kann auch zur Ausgrenzung führen, wenn sie ihre Tickets nicht mehr selbstständig kaufen können.

Menschen mit Behinderungen werden übersehen

Was mich jedoch besonders bewegt: Im Artikel wird nicht einmal erwähnt, wie Menschen mit Behinderungen mit dieser Umstellung umgehen sollen. Dabei ist das ein zentraler Punkt, der unbedingt beachtet werden muss.

Blinde und sehbehinderte Menschen – wie ich selbst – sind auf barrierefreie Apps und Webseiten angewiesen. Die Bedienung mit Screenreadern wie VoiceOver (auf iOS) oder TalkBack (auf Android) funktioniert nur dann, wenn Apps und Inhalte korrekt programmiert und zugänglich gestaltet sind.

Doch nicht nur sehbehinderte Menschen sind betroffen:

  • Rollstuhlnutzer brauchen barrierefreie Automaten auf passender Höhe.
  • Menschen mit Lernbehinderungen benötigen einfache Sprache und klare Menüs.
  • Gehörlose Menschen brauchen visuelle Informationen – auch in Notfällen oder bei Fehlermeldungen.

Der Schwerbehindertenausweis als Ausweg? Nur bedingt

Manche mögen jetzt sagen: „Aber Menschen mit Schwerbehindertenausweis fahren doch oft kostenlos.“ Das stimmt – teilweise. Doch auch hier gibt es Einschränkungen:

  • Nicht alle Strecken sind im Geltungsbereich der Wertmarke enthalten.
  • Schnellere Verbindungen oder bestimmte Linien kosten extra.
  • Wer außerhalb der eigenen Region unterwegs ist, muss trotzdem ein Ticket kaufen – künftig nur noch digital.

Die Gefahr: Digitale Spaltung im Nahverkehr

Die Digitalisierung kann vieles vereinfachen – wenn sie inklusiv gestaltet wird. Aber derzeit sieht es so aus, als ob bestimmte Gruppen schlicht nicht mitgedacht wurden. Und das ist nicht nur ungerecht, sondern gefährlich:

  • Wer sein Ticket nicht kaufen kann, kann nicht mitfahren.
  • Wer nicht mitfährt, ist vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.
  • Wer ausgeschlossen wird, verliert an Selbstbestimmung.

Mobilität ist ein Grundrecht. Und deshalb darf eine solche Umstellung niemals auf Kosten derjenigen gehen, die ohnehin schon benachteiligt sind.

Unsere Forderungen als inklusives Netzwerk Cap4Free

Wir vom Netzwerk Cap4Free setzen uns seit Jahren für digitale Teilhabe ein. Deshalb fordern wir:

  1. Barrierefreiheit als Standard in allen Apps und digitalen Verkaufsplattformen – getestet mit echten Nutzern!
  2. Begleitende Schulungen für ältere Menschen und technisch unerfahrene Personen.
  3. Beibehaltung analoger Alternativen, wie barrierefreie Automaten oder Fahrkartenverkauf durch Personal.
  4. Transparente Kommunikation über diese Umstellungen – verständlich für alle.

Fazit: Fortschritt muss alle mitnehmen

Die geplante Digitalisierung im Nahverkehr ist grundsätzlich eine gute Idee. Aber sie darf nicht zur digitalen Ausgrenzung führen. Eine Gesellschaft ist nur dann wirklich fortschrittlich, wenn sie niemanden zurücklässt – weder die Älteren, noch Menschen mit Behinderungen.

Wir hoffen, dass Politik und Verkehrsunternehmen diese Herausforderung ernst nehmen – und gemeinsam mit den Betroffenen tragfähige Lösungen entwickeln. Denn nur so kann eine moderne, gerechte und inklusive Mobilitätswende gelingen.

Quelle:

Die Informationen zu den geplanten Änderungen im WestfalenTarif stammen aus dem Artikel „NRW schafft jahrzehntealte Tradition in Bussen und Bahnen ab“ von Malin Annika Miechowski, veröffentlicht am 16.06.2025 auf RUHR24.
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