VidCoder: Ein vielseitiger Video-Transcoder

By Steffen Schultz
In Zeiten von Streaming-Diensten holen wohl immer weniger Menschen ihre verstaubte DVD-Sammlung aus dem Schrank oder machen sich gar die Mühe, sie auf die Festplatte zu übertragen. Wer dennoch seine Videos lieber im heimischen Datenarchiv aufbewahrt, statt sich Netflix und anderen Diensten auszuliefern, findet mit VidCoder ein quelloffenes Windows-Werkzeug, das viele Aufgaben der Video-Umwandlung beherrscht. Und so ganz nebenbei tritt das Tool den Beweis an, dass selbst Entwickler von Video-Software in Sachen Zugänglichkeit für Screen-Reader-Nutzer mit sich reden lassen.
Handbrake als mächtiges Backend
VidCoder basiert auf HandBrake, ein Transcoder für unzählige Videoformate. Das Tool stellt für HandBrake eine vereinfachte Oberfläche zur Verfügung, und bietet mit diversen Voreinstellungen eine gute Auswahl, um schnell ans Ziel zu gelangen. In der Preset-Liste finden sich HD- und SD-Formate, die für verschiedene Wiedergabeszenarien optimiert sind, darunter auch Smartphones und YouTube. Eigene Voreinstellungen lassen sich auf Basis der existierenden Vorlagen natürlich anlegen, die entsprechenden Kenntnisse vorausgesetzt. Problemlos können Container sowie Video- und Audioformate konfiguriert werden. Beispielsweise lässt sich auch das sogenannte Durchschleifen bestimmter Audioformate erzwingen, also das verlustfreie Übertragen der Audiospuren einer DVD oder Bluray.
Schnell zeigt sich, dass VidCoder stark auf die Umwandlung von DVDs und Blurays fokussiert ist. Dabei werden allerdings nur Medien ohne Kopierschutz unterstützt. Hat man jedoch eine entsprechende Videoquelle geöffnet, stehen zahlreiche Möglichkeiten der Umwandlung zur Verfügung. Für jeden Titel lassen sich sämtliche oder nur bestimmte Ton- und Untertitelspuren wählen, letztere können auf Wunsch auch nur als erzwungene Untertitel gerippt werden. Hierbei handelt es sich um Untertitelungen, die beispielsweise nur dann eingeblendet werden, wenn in Filmen eine fremdsprachige Textpassage in die jeweilige Landessprache übersetzt werden soll.
Nachdem man einen oder mehrere Titel der Warteschlange hinzugefügt hat, wird der Encodierungs-Vorgang mit Klick auf die Encodieren-Schaltfläche gestartet. Leider erweist sich je nach System der HandBrake-Unterbau tatsächlich als Handbremse, da der Encodierungsvorgang mitunter sehr lange dauern kann. Zwar lässt sich in den globalen Einstellungen die Prozessornutzung noch optimieren, was aber nur verhältnismäßig wenig Geschwindigkeitsvorteil bringt. So kann das Umwandeln einer einzigen DVD schon mal einen halben Tag in Anspruch nehmen. Ob sich die Geschwindigkeit erhöht, wenn man eines der Fast-Presets für die Umwandlung nutzt, habe ich bislang nicht getestet. Möglicherweise leidet dann auch die Bild- und Tonqualität darunter.
Für Blinde nutzbare Videosoftware ist rar gesäht
Nun ja, Blinde Anwender sind auch nicht unbedingt die erwartete Zielgruppe für solche Software. Deshalb war ich positiv überrascht, mit VidCoder eine Oberfläche zu finden, die zunächst sehr eingeschränkt auch mit Bildschirmlesern nutzbar war. Es gab viele unbeschriftete Schaltflächen, die sich jedoch teilweise mittels Texterkennung auslesen ließen. Ein vergleichsweise großer Fortschritt, gemessen an ähnlichen Produkten, die mitunter nicht mal eine korrekte Tastaturnavigation erlauben, keine der vom Betriebssystem angebotenen Accessibility-Schnittstellen nutzen, und dabei noch jede Menge Geld kosten. Also fragte ich einfach mal beim VidCoder-Entwickler nach, ob Interesse besteht, an der Accessibility etwas zu verbessern, und wurde abermals positiv überrascht. Nach einer kurzen Rückfrage, für welchen Zweck ich denn als blinder Anwender eine solche Software nutzen möchte, erhielt ich das Versprechen, dass mit der nächsten Überarbeitung der Oberfläche auch die Zugänglichkeit für Screen-Reader verbessert werden würde. Es stellte sich jedoch heraus, dass zunächst das der Oberfläche zugrunde liegende Fluent.Ribbon überarbeitet werden musste, was aber auch bei dessen Entwickler auf positive Rückmeldungen stieß und sehr schnell umgesetzt wurde. Natürlich endet nicht jeder Austausch so erfolgreich. Viele Entwickler betrachten derartige Dinge leider immer noch als Zusatz-Feature, dass nur unnötig Ressourcen kostet und keinen wirklichen Nutzen für die Zielgruppe hat. Dabei kann man schon beim Entwerfen einer Anwendung vieles richtig machen, und erspart sich hinterher unnötige Programmierarbeit. Trotzdem habe ich für mich aus dieser Sache mal wieder die Erkenntnis gezogen, dass es sich durchaus lohnt, mit Software-Entwicklern in Kontakt zu treten, um sie mit sachlichen Argumenten vom Gegenteil zu überzeugen, statt einfach nur im stillen Kämmerlein vor sich hin zu meckern.
Kürzlich erschien dann VidCoder 4.28 als stabile Version und enthielt die versprochenen Verbesserungen. Zwar ließe sich immer noch am ein oder anderen Stellschräubchen drehen, doch die meisten Elemente der Programmoberfläche bieten nun ausreichend Informationen für Screen-Reader. Einzig die Bedienung per Tastenkürzel ist optimierungsbedürftig, hieran wird jedoch bereits gearbeitet. Die Oberfläche verwendet Akordeon-Elemente zum Ein- und Ausklappen der verschiedenen Bereiche, was die Orientierung erst mal etwas schwierig macht, wenn man an klassische Anwendungen mit Menüleiste und Arbeitsbereich gewöhnt ist. Doch auch wenn ich kein großer Freund von Ribbon-Oberflächen bin, ist die Umsetzung bei dieser Anwendung recht gut gelungen.
VidCoder ist freie Software, und kann kostenlos auf VidCoder.net sowie über den Windows Store heruntergeladen werden.
Quelle ist von: Robbenradio