Ein Freund, ein guter Freund, das ist das schönste was es gibt auf der Welt. Jedoch was geschieht, wenn dieser gute Freund auf einmal aus dem Leben geht, nicht etwa durch einen Unfall oder Krankheit wie Krebs etc, sondern durch Selbstmord. Was passiert dann mit dem Menschen bzw wie geht der Mensch damit um, der ihn gefunden hat? Wie verändert sich dessen Leben dann? Wie kommt dieser dann in seinem eigenen Leben zurecht?
Dies möchte ich euch an einem Beispiel näher bringen, das wirklich passiert ist. Und das immer wieder durch bestimmte Dinge, Personen, Gerüche und vieles mehr vor Augen gerufen wird.
Aber erst mal von Anfang an, damit man den Sinn des Beitrags kennt.
Ich lebe seit mehreren Jahren in einer Kleinstadt mit sehr vielen netten und freundlichen Menschen, die Hausgemeinschaft in der ich wohne ist auch sehr freundlich. Wir sind alle füreinander da, haben ein offenes Ohr für den anderen, schauen nach der Post oder den Pflanzen wenn der Nachbar in Urlaub fährt oder aus sonst einem Grund nicht anwesend ist. Man kann sich also wohlfühlen.
Warum ich dies erwähne hat mit dem Hintergrund zu tun, das ein guter Freund und Nachbar sich das Leben genommen hat. Klar wusste ich, das er Depressionen hatte, in Behandlung war, jedoch war mir zu diesem Zeitpunkt damals noch nicht klar, wie es wirklich in ihm aussieht. Wir haben sehr oft und auch sehr viel miteinander gesprochen, auch über das Thema sterben, aber ich dachte eigentlich es wäre allgemein gewesen, was mein Fehler war, der mich bis zum heutigen Tage verfolgt. Das ganze geschah an einem Montag morgen mitte Februar vor drei Jahren, ich werde diesen Tag niemals mehr vergessen. Zwei Tage zuvor hatte ich noch mit ihm herumgescherzt, weil er ganz leise die Kellertreppe hochgeschlichen kam und plötzlich hinter mir stand. Aber nun zu dem besagten Morgen. Dieser fing schon ganz merkwürdig an, denn es war zu still an diesem Morgen. Ich hörte zwar den ein oder anderen das Haus verlassen, aber irgendwie war es merkwürdig. Die Uhr zeigte halb acht als ich aufstand um mich schon mal ein wenig auf den Tag vorzubereiten, viertel vor acht hatte ich das schriftliche wie Terminplanung und Einkaufszettel erledigt. Hatte mir gerade meinen Kaffee ins Wohnzimmer gestellt und wollte eigentlich nur eine Zigarette rauchen gehen ( wer kennt es nicht das kleine schnelle zwar ungesunde Frühstück, Kaffee und Zigarette). Mein Hund war noch weiter am schlafen auf meinem Bett, also konnte ich es riskieren. Gegen fünf vor acht machte ich mich dann auf den weg hinters Haus, weil rauchen in der Wohnung gibt es bei mir nicht, dafür muss ich aber an der Kellertreppe vorbei gehen. Mein Blick fiel dabei auf die Treppe und ich war wie erstarrt. Denn 5 oder 6 Treppenstufen tiefer hatte sich mein Nachbar aufgehangen. Ich vergesse diesen Blick nie wieder. Er kniete auf den Stufen mit einem Gürtel um den Hals, die Augen weit geöffnet, seine Haut war leicht gebräunt durch seine Besuche auf der Sonnenbank. Das nächste an das ich mich noch erinnern kann, war das ich bei meiner Nachbarin sehr heftig an die Tür geklopft habe, um von ihr Hilfe zu erhalten. Der herbeigerufene Rettungsdienst und der Notarzt konnten leider nur noch seinen Tod feststellen. Kurze Zeit später kam auch die Kriminalpolizei, um den Fall auf zu nehmen. In seiner Wohnung befand sich ein Tagebuch mit den wichtigsten Informationen über jeden einzelnen Hausbewohner, sodass er im vorhinein wusste wann wer das Haus verlässt. Das schlimme bei der ganzen Sache war nur, meine Wohnungstür ist nur wenige Schritte von besagter Treppe entfernt, wieso hab ich nicht ein Geräusch, ein knacken oder vielleicht sogar einen letzen Hilferuf mitbekommen.
Diese Frage verfolgt mich seit diesem Tag, klar alle sagen, ich hätte es nicht verhindern können, jedoch Vorwürfe macht man sich immer wieder.
Seit diesem Tag sehe ich das Gesicht von ihm fast jede Nacht vor mir, gehe mit gemischten Gefühlen in den Keller, weil ich ihn immer noch da hängen sehe, reagiere panisch wenn mir jemand irgendwo begegnet, der so aussieht wie mein Nachbar oder das selbe Parfüm trägt.
Mittlerweile bin ich soweit, das ich die Innenstadt meide um keine Panik zu bekommen. Sollte ich doch mal in die Stadt müssen, dann nur noch mit Hund, weil sie mir Sicherheit gibt. In den Keller bin ich erst wieder nach Monaten gegangen, genauso wie in unseren Hof.
Bis zum heutigen Tage gehe ich frühmorgens erst dann in den Hof, wenn es hell draussen ist. Ich meide dann auch den Blick auf die Treppe.
Dies war ein Einschnitt in mein Leben, den ich nie wieder brauche.
Mein Appell an alle, achtet auf eure Freunde, sucht euch kompetente Hilfe oder Beratung, reagiert auf Warnsignale in Gesprächen, wenn ihr euch unsicher seit, ob diese Person sich das Leben nehmen will, informiert die Familie oder andere Stellen die eingreifen können. Es gibt auch in allen Städten die Möglichkeit sich mit Beratungsstellen kurz zu schließen. Das äussern eines solchen Vorhabens ist meist der letzte Ruf nach Hilfe.
Denn als Betroffener nach einem solchen Fall des auffindens einer suizidalen Person bleibt das Leben erst mal stehen. Es kommen Selbstzweifel, man macht sich Vorwürfe, gibt sich selbst die Schuld, man hinterfragt sich selbst ob nicht vielleicht ein kleiner Funke der Rettung hätte möglich sein können. Ganz zu schweigen von den körperlichen und psychischen Problemen die dadurch entstehen, denn jeder Mensch reagiert anders darauf.
Gebt alle acht auf euch und euer Umfeld.